Donnerstag, Juni 30, 2011

Besarabien

Regentag
26.6.11 Regentag in Odessa

27.6.11 Burevestnik
Ich sah Bäume vom Sturm gefällt, doch der Sturmvogel erreicht sein Ziel.
Die haben hier unglaublich viele Fernsehkanäle, ihre eigenen und dann noch die zig russischen dazu. Einen gescheiten Wetterbericht habe ich gestern den ganzen Tag nicht gesehen. Aber heute wird das Thema pagoda, das Wetter wohl im odessitischen Fernsehen eine bedeutende Rolle spielen. Heute morgen war auf der Ausfallstraße nach Süden nur für Radler ein Durchkommen. Ich konnte einen sehr optimistischen LADA-Fahrer beobachten, der sich auf dem löchrigen Gehweg zwischen Mauer und Laternenpfahl durchzwängen wollte. Es fehlten ein paar Zentimeter, hörbar. Und warum die alle große SUV's fahren, ist mir nun auch klar: Die brauchen die Wattiefe wegen der unermesslichen Luschen (Pfütze ist hier völlig fehl am Platz als Vokabel). Der Regen hatte am Montagmorgen aufgehört, der Wind nicht.
Hubbrücke bei Satoka im Sturm
Bei Satoka, einer knapp 100 m breiten und 11 km langen Landzunge, war er wieder stark genug, um armdicke Äste vom Baum zu reißen. Auf der Hubbrücke, wo ich zum 4. und letztenmal den Dnistr überquerte, wollten mich die Böhen von der Straße fegen. Nun folgte der korrekte Weg des Radlers: "Der Wind kommt immer von vorn." Dieser Wind zerstäubt den Regen als Aerosol, da brauchst du keinen Kwas mehr zur Erfrischung. Das erste Hotel hat wegen Stromausfall die Aufnahme verweigert, hier in der Kneipe nutze ich nun das letzte Tageslicht für diesen Bericht und hoffe, mich nimmt noch einer auf.

28.6.11 Burevestnik in Besarabien
Eine Autorally beschlagnahmte alle Hoteplätze in Belgorod. Ich nahm den letzten Rohbau des Orts Richtung Izmail und es war eine gute Wahl. Ein Blech zum Zementmischen über die Mulde, wie zu Hause im Bettchen geformt und ich schlief wie ein Murmeltier bis früh mich ein kleines Hündchen weckte. Der neue Schlafsack hat seine Feuertaufe bestanden.
Burevestniks Labung
Dann begann der Kampf gegen den Wind auf gut 40 km bis Sarate. Unterwegs erläuterte mir eine Kneiperin, deren Großmutter noch deutsch sprach, die heutige Situation der besarabischen Deutschen. Ich muss noch recherchieren, unter welchen Umständen diese Besiedlung erfolgte. Meine derzeitige Theorie: Auch hier musste nach dem Abzug der Türken ein Vakuum gefüllt werden. Ein Zentrum sei wieder Sarate, wo es eine deutsche Kirche gäbe, weder katholisch noch evangelisch. O-Ton der Kneiperin: Nach den Kommunisten entwickelt sich wieder die deutsche Kultur. Ich würde leicht an der Breite der Gehöfteinfahrt erkennen, wo eine deutsche Familie lebe. Ich habe bei meiner halbstündigen Rundfahrt durchs Dorf keine Unterschiede feststellen können. Aber ich hatte auch Hunger, was mich ein wenig ablenkte. Gleichzeitig mit den Deutschen leben hier auch Gagausen, sicher schon seit vor der Osmanenzeit. Und ein Schild heute scheint meine Interpretation der Speisekarte in Kishinjow zu bestätigen: Ein Zentrum der bulgarischen Volkskultur war ausgezeichnet.
Liegengebliebene Reserven
Ich schrieb schon einmal in diesem Blog von der Zeitung der Deutschen in Kasachstan "Freundschaft" aus den 80iger Jahren. Dort belustigte uns die Erfolgsmeldung über die 50% des Getreides, das aus Kasachstan mit der Eisenbahn in der Ukraine angekommen sei. So sieht es wohl noch heute aus. Wenn man die Weizenkörner am Wegesrand zusammen kehren würde, könnte man die Neger eines ganzen Landes in Afrika ernähren.
Ich bin gerade in eine Runde eingeladen worden, wo es einen sehr guten Wodka "Grüne Marke" für mich gab, weshalb ich die Gelegenheit nutze, diese Zeilen zu Computer zu geben, sowas inspiriert mich immer und weckt auch mein Gedächtnis des Tages.
In einer Runde mit Bulgaren
Nun, nach der zweiten, der Abschiedsrunde, muss ich einige Dinge klarstellen. Das Rätsel der Gagausen ist noch nicht geklärt. Die Runde hat sich ganz klar selbst als Bulgaren bezeichnet und sich auf Nachfrage von den Gagausen im Norden distanziert. Das Dorf Sarja ist ein bulgarisches Dorf, mit entsprechendem extra ausgezeichneten Kulturzentrum.
Nun bin ich am Ziel in Tatarbunari und habe auch schon bei einer ganzen Bande von Muttels eingecheckt. Eine führt das Regime und wies eine untergebene Muttel an, mir eine Reihe von Zimmern zu zeigen, wobei sie bereits den Preis auf einen kleinen Zettel mitgab. Ich nahm das Erste, was präsentiert wurde. Als mir auffiel, dass es gar keine Kopfkissen gab, ging ich nochmal runter. Die Bande umringte die Geld zählende Chefin. Mein Wunsch löste einige Belustigung aus, das Zeug sei doch im Schrank und sie seien doch hier keine Stewardessen. Nun, auf den Gedanken bin ich auch garnicht gekommen und für den Preis von knapp 10 Euro auch nicht erwartet. Technisch kann man am Standard nicht meckern, Klimaanlage, ordentliche Dusche und Fernseher. Gute Nacht!

29.6.11 Im Delta
Nach langer Anfahrt erreichte ich Wilikowe an der Mündung der alten Donau ins Schwarze Meer. Das ist hier wie ein Spreewalddorf, durchzogen von Kanälen und Kanälchen. Das sind dann aber eher Kloaken, nun, es riecht aber nicht. Einige Kahnfahrer erkennen den Touristen und bieten ihre Dienste an. Nach meiner Ausrede, ich will mir hier erst alles angucken, ich käme erst in einer Stunde, kontert der Mann korrekt: "Alles? Das kann man nur vom Boot aus sehen!" Ja, so geht es mir auch immer mit meiner sozialistischen Erziehung. Da geht man mit einem unschlagbaren Angebot auf die Leute zu, und wenn es dann eine Absage gibt, ist mann sauer und zieht sich für den Rest des Tages zu den Kumpels und dem Wodka auf das Boot zurück. Ich war aber auf was ganz anders aus als eine stundenlange Kahnfahrt, ich hatte Hunger.
Köchin und Bufeteuse
Nach einer großen Runde kehrte ich zu dem Schild "Domaschnije kuchnje" (hier kocht die Muttel) am Anfang des Dorfes zurück. Es gab keine Speisekarte, sondern die Muttel von der Theke wusste ganz genau, was ich brauchte: Gesunde Kost vom Fisch, eine ucha (Fischsuppe) und als zweiten Gang eine weitere Zubereitungsart, die ich aber nicht verstand. Oft hörte ich schon, eine ucha sind eigentlich die Reste für die Katze. Ich sollte eine halbe Stunde warten, es wird alles frisch zubereitet. Da habe ich mir ein Bier bestellt und Musik auf die Ohren gesetzt.
Und dann kam die ucha: Ein Teller mit drei großen Stücken eines noch größeren Fisches mit Kartoffeln, gekochten Zwiebeln und Möhren, eine Tasse mit Suppe und ein Schälchen Soße. Mit zwitschernder Stimme und vielen, schnellen Worten erklärte mir das Muttel die Zubereitung. Ich bin eigentlich ganz sicher, dass ich das Wesentliche verstanden habe. Das alles wurde in einem Topf aus frischen Zutaten gekocht und dann wieder alles separat aufgetischt. Vom Sud (ein Koch würde wohl Font sagen) wurde ein Teil mit Gewürzen als Soße zum drüber löffeln aufbereitet. Und so habe ich das dann auch genossen, viel Arbeit wegen einiger Gräten, aber köstlich. Dazu gab es noch ein viertes Stück des noch größeren Fisches, ich glaub schon - Wels, an Bratkartoffeln gebraten. Auch dafür hatte ich noch von der guten Soße übrig. Wieder konnte ich meine Zufriedenheit mit einem Foto ausdrücken, wofür extra die Küchenmuttel gerufen wurde. Ich muss sagen, die Thekenmuttel mit der zwitschernden Stimme hat das prima serviert und verkauft. Auch wenn der Gast nicht alles verstanden haben dürfte, hat sie sich ins Zeug gelegt, dass die Küchenleistung deutlich und gewürdigt wird. Was ich dann auch tat, 50 Grieven extra für die Küche. Preis des Menues: 88 Grieven.
Ein pfundiges Exemplar
Heute Nachmittag habe ich noch zwei Schildkrötenseelen gerettet und über den Rest der Straße getragen. Die eine war bestimmt fast ein Pfund schwer. Nun bin ich Kilja, einem recht üblen Flusshafennest, dem der N. Ceaucescu mit seinem Sulina-Arm in den Siebzigern wohl den Schiffsverkehr abgedreht hat.

30.6.11 Besarabische Landpartie
Dieses Kilja zeigt dem Fremden in keiner Weise, wo es lang geht. Die Hauptstraße mit dem Namen Lenins beginnt an seinem Denkmal am Hafen. Dort liegt auch noch ein altes Flusskreuzfahrtschiff aus Boizenburg, das aber seine letzten Jahre an der Kette als Restaurant auch schon hinter sich hat und nun nur noch Schrott ist. Dann gibt es einige Caffees, Kneipen und Märkte, die sich in einem Bereich bei der Kirche häufen, woran man merkt, dass man im Zentrum ist. Alles reich mit Reklameschildern bestückt, die man aber als Radler von der Straße aus wegen der reichen Schatten spendenden Bäume nicht sieht. Die Leninstraße endet dann als Feldweg.
Die reich geschmückten Giebel der Häuser faszinieren
Ich konnte dann einem über die Betonplatten holpernden Kleinbus folgen, der fuhr laut Schild nach Ismail. Nach ein paar Schlenkern war ich dann auf einer Ausfallstraße, asphaltiert zwar, aber mit ein paar mächtigen Löchern. Die führen dazu, dass Autos u.U. auch nicht schneller als ich vorankommen.
Ich landete an einem See, wo ein Mann an einer Brücke was an einem Strick ins Wasser ließ. "Ich arbeite" sagte er nach einer Begrüßung. Er ist Metereologe und misst die Wassertemperatur. Auch weitere Werte werden von ihm hier aufgenommen. Ich war beeindruckt, wieviel Goldzähne er sich von dem Job leisten konnte. Aber er erläuterte mir auch, dass ich nicht auf meinem Wunschweg war. Er schickte mich zwar zur Hauptstraße, aber die kleinen Landstraßen sind hier alle teilweise ordentlich asphaltiert, so dass eine schöne Landpartie herauskam. Kurz vor Ismail konnte ich sogar noch Pelikane in Formation über meine Kneipe ziehen sehen, ca. 20 hoch.
Hier in Ismail versuche ich endlich, mein Zelt zu reparieren. Es macht mich nervös, immer auf ein Hotel angewiesen zu sein.

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