Sonntag, Oktober 29, 2017

Herwart auf dem Jeschkenkamm

1 Kommentare
28. - 30.10.2017; Teilnehmer: Der Abt, Ralf, Manne, Helmut, Jenser und EbsEls

Endlich war es soweit, es dämmerte, ich konnte aufstehen. Pinkeln war schon seit drei Stunden notwendig. Nun also endlich aufstehen.
Gestern Abend in der Kneipe der Chata Pláně pod Ještědem hat die Wirtin uns immer wieder vor dem herannahenden Sturm mit 130 km/h gewarnt, sie wies bei jedem Wetterbericht auf den Fernseher. Einen Platz in ihrer Herberge wollte sie uns aber nicht anbieten. Ralf fand auf der Leeseite des Jeschkenkamms einige moosige Plätzchen im Wald für unsere Zelte, dann gleich in der späten Dämmerung dort aufgebaut.
Der auch noch am Morgen mächtige Sturm riss mir den Apsidenvorhang des Hubba Hubba aus der Hand, die Böe blies zwei Liter Graupelregen in mein Zelt. Der Häring zum wieder Abspannen des Zeltes war nicht mehr im Laubblatthumusboden zu finden. In Unterhosen bei immer wiederkehrenden Böen mit Graupelschauer begann ich mit den Abriss des Zeltes. Plötzlich spreißelte 20 m hinter mir Holz, ein Baum knickte ab und krachte zu Boden. Dem einem Gott zum Dank, nicht auf die Zelte meiner Freunde, die noch in ihre mehr oder weniger trockenen Schlafsäcke gekuschelt, auf das Ende des Regens warteten. Ich fand einen halbwegs windschattigen Platz bei der anderen Herberge, um meine sieben Sachen mit klammen Fingern notdürftig zu ordnen. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Der windschattige Platz bot uns auch ein paar Bänke und Tische für das Frühstück. Wir setzen unsere Wanderung auf dem Kammweg zum Gipfel des Jeschken fort.
Das Heulen und Donnern des Sturms um den Turm auf dem Jeschken war überaus beeindruckend. Nach dem mehrbierigen Besuch des Turmrestaurants ebbte der Sturm etwas ab. Vom Zelten waren alle geheilt, die nächste Übernachtung sollte in einer festen Unterkunft sein. Als es langsam dämmerte, erreichten wir den Křižanské Sedlo zum Kryštofovo Údolí. Dort sollte es eine Pension Novina geben, schnell gefunden, aber alles dunkel. Ab 16 Uhr sollten Gäste laut eines Aushangs Eingang finden. Dieser Zeitpunkt war verstrichen, der Abt, Ralf und Manne hatten keine Geduld, sie suchten in Novina nach Alternativen. In der Tat gab es aber einen großflächigen Stromausfall, niemand wollte Gäste ohne Strom in eine der zahlreichen weiteren Pensionen aufnehmen. Wir entschlossen uns in der Hoffnung auf eine Zugverbindung zum nächstgelegenen Bahnhof in Křižan zu laufen. Dort stand sogar ein Triebwagen, der Bahnhofsvorsteher sagte jedoch: “Keine Strom, Autobus kommt erst morgen früh.” Nach einigem Hin&Her ließ er uns aber im Warteraum, dessen Nachtspeicherofen noch ein wenig Wärme und Trocknung spendete, bofen.
Kurz vor Sechs sprang das Licht an, wenig später offenbarte der Bahnhofsvorsteher den Bofern: “In 10 Minuten fährt der Bus nach Liberec.” Naja, so schnell sind wir nicht fertig. Wir verfrühstückten unsere flüssigen und festen Proviantreste. Ich hatte die Lust komplett verloren: “Ich will heim!” Die anderen Fünf sind noch einen halben Tag lang bis in die Gegend von Jítrava gewandert und mit dem Bus nach Hrádek nad Nisou. Auf der Heimfahrt erhielt der Sturm durch die Zugausfallanzeigen auf den sächsischen Bahnhöfen auch einen Namen: Herwart.