Sonntag, Oktober 13, 2013

Wo Opa Gustav mit der Radbahr lang ist

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Um den 9. Mai 1945 wollte mein Opa noch ein paar in Habelschwerdt (heute Bystrzyca Kłodzka) eingelagerte Sachen holen. Er lud die Sachen auf eine Radbahr und marschierte in Richtung Breslau. Eine Radbahr ist „ein einrädriger Schiebekarren mit einem kastenartigen Aufsatz“ (Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch Bd. 9 Q-R). Wir haben uns diese Gegend, das Glatzer Gebiet in den polnischen Sudeten, als Ziel für unsere Herbst-Rad-Tour dieses Jahr vorgenommen.

4.10.2013
Wir sind erst mal nur eine Vorhut: 5 Leute steigen in Wroclaw mit den Rädern aus dem Zug. Aus der Stadt raus geht es ein Bisschen Zick&Zack, aber dann ist es lockeres Pedalieren auf dem EuroVelo #9 nach Süden. Treffpunkt soll ein Zeltplatz bei Kamieniec Ząbkowicki (deutsch Kamenz) sein. Das sind ca. 100 km, wofür wir zwei Etappen planen. Wir wollen auf den Zobten (Ślęża), den „schlesischen Olymp“. Sven wird diesen Ritt morgen in einem Tag pedalieren, die Schwager erreichen Kamenz mit dem Zug.
Der „schlesische Olymp“ wird schon bei Tacitus in seiner Germania als Sitz diverser barbarischer Götter genannt. Für die Breslauer war das der Wetterberg, denn so hieß es: "Denn warsche blau, do kunnt ma Rägen spieren und warsche grau, da gingen ber spazieren." 
Den Zobten erklommen
Wir glauben Sobotka erreicht zu haben und finden in einem Park in der Nähe einer Kneipe eine Stelle zum Biwakieren im Zelt.

05.10.2013
O Zutaberg, du schiener blauer Higel du bist unähr a Wächter uffm Turm Du kinnst uns ewig Gutes, ewig Ibel Du kinnst uns Regen, Sunnenschein un Sturm.“
Leider muss ich mal wieder feststellen: Ich reise gern allein, da kann ich in aller Ruhe Tagebuch schreiben. Ich sitze gerade mit einem Lech-Pilsener (650mL Flasche) unter einem Schirmchen bei einem Laden in Uciechow. Habe meine Mittagsration verputzt und rekapitulieren den Tag. Ich habe meine Freunde verloren. Wir haben in einem Park unter dem Zobten-Berg gezeltet. Es gab eine gute Infrastruktur, eine Kneipe mit einem Holzfeuerofen. Es ist nämlich sehr kalt. Der Wirt hat uns Tee gemacht, den wir mit weißem Rum verstärkten.
Gleich von unserer Boofstelle führt ein blauer Weg zum Gipfel des Zobten. Sicher, der Jens hat recht, es ist ein Wanderweg. Aber wenn man betrachtet, dass wir wohl eh schieben würden, dann kann man auch einen Wanderweg hoch schieben. Jedenfalls fuhren die Freunde wohl auf einer Asphaltstraße an der Abzweigung des blauen Weges vorbei. Es war ein sehr buckliger und steiler Pfad, aber zu schaffen. Ich also immer den Freunden hinterher, ich glaubte ja sie sind vor mir. Dann klingelte das Telefon, wo ich denn wäre. Sie waren noch weit unter mir. Sie wollten den blauen Pfad noch finden und mir auf dem Gipfel folgen.
Ich wartete oben eine reichliche Stunde, es kam keiner. Die Abfahrt war zu Beginn anstrengend und extrem holprig. Dann aber ab einem Parkplatz mit sehr schönen pivnicen (leider, da ohne Freunde, nicht besucht) auf Asphalt hinunter nach Wiery. Ich fand unseren Leitfaden wieder, den Radweg Eurovelo 9. Mit dem letzten Anruf informierte mich Jens, dass sie "hinter Sobotka", östlich des Berges wären. Nun wir verabredeten uns, dass wir uns wohl erst am Ziel der Etappe in Kamenz (Schlesien) treffen. "... oder auch nicht", fügte Jens dann am Ende des Gesprächs hinzu.
Die Truppe ist vollständig angetreten
In Kamenz (Schlesien) haben wir uns doch wirklich alle getroffen. Der Sven kam mir auf dem Weg zum Campingplatz entgegen, geschlossen. Auf der Suche nach einem Restaurant dann wieder ein Anruf von Jens, sie seien mit Zug auf dem Weg nach Kamenz. Ein weiterer Anruf dann mit der Hiobsbotschaft: Helmuts Schaltung ist hin, er muss die Tour abbrechen. Und die beiden Schwager seien auch da, 10 min später eingetroffen. Es wurde noch ein schöner Abend mit Schwof für die Mädels und Pizza und Bier für Alle. Eine Übernachtung in einem Sporthotel wurde noch eingefädelt.

06.10.2013
Ziel der heutigen Etappe ist Złoty Stok (deutsch: Reichenstein in Schlesien). Hier kann man ein altes Goldbergwerk der Fugger besuchen. Gold und Arsen baute man hier bis 1961 ab, bis es die umstrittene und rätselhafte Anweisung von der polnischen Regierung gab, den Abbau einzustellen. Das Bergwerk wurde darauf­hin stillgelegt. Man förderte ca. 20-30 kg Gold jährlich, erst 1961 fiel die Produk­tionsmenge auf einmal auf 7 kg jährlich ab.
Nach dem Besuch des Bergwerks fanden wir eine schöne Boofstelle bei Sronie Sl. im Bielengebirge (polnisch Góry Bialskie).

07.10.2013
Heute eine Königsetappe: Über die Glatzer Schneeberge, über das Habelschwerdter Gebirge zum Eulengebirge. Das kulante Angebot des VITAL & SPA RESORT SZAROTKA in Zieliniec konnten wir dann nicht ablehnen. Es steht wieder unentschieden zwischen Biwak und Hotel.
08.10.2013
Wir erreichen schon zur Mittagszeit die Ortschaft Karłów (deutsch Karlsberg) unterhalb des Großen Heuscheuer, der Ausgangspunkt für den Besuch des Heuscheuergebirges. Die Tafelberge aus Sandstein sind wie aufgeplatzt, wodurch die sehenswerten Labyrinthe entstanden sind. Gezeltet auf dem an sich geschlossenen Campingplatz in Karłów.

09.10.2013
Die heutige Etappe durchs Braunauer Ländchen ins Vorland des Riesengebirges war geprägt durch Raddefekte. Während Evas Schaltung und Kette in einem Lädchen in Broumov (CZ) einigermaßen gerichtet werden konnte, hatte ich mir in Kamienna Góra (deutsch: Landeshut in Schlesien) einen Platten gefahren. Wir wollten den Kompressor einer FIAT-Werkstatt nutzen. Der Monteur hatte aber keine Ahnung, wie viel Druck auf einen Fahrradreifen muss. Als das „elektrische Mädel“ warnte, war der Reifen noch platt. „Geben Sie ruhig 4 bar ein!“ Was der Monteur auch ungläubig tat. Plötzlich gab es einen mörderischen Knall – der Reifen war geplatzt. Der Monteur war verschwunden. Ich hatte den Schlauch nicht richtig montiert, es hatte sich eine Blase gebildet. Der Monteur stellte uns nochmal die 4 bar ein und verschwand wieder. Alles sitzt, wir freuen uns mit...
Die heutige Tour begann mit einer klasse Abfahrt hinunter nach Radków (deutsch Wünschelburg). Wir erhielten ein reichhaltiges und leckeres Frühstück im Hotel am Markt. Das Hotel ist sehr schön restauriert. Der Inhaber hat uns viel von der langen Geschichte des Hauses erzählt. Zu beachten: Der Boden in der Eingangshalle mit der Glatzer Rose.
Ein Teil der Etappe führte durch das Braunauer Ländchen, was zu Tschechien gehört. Der alte Preuße Hindenburg kannte sich mit der Habsburger Geografie nicht so aus. Deshalb war Hitler immer der „böhmische Gefreite“. Für Hindenburg gab es nur das Braunau im Böhmischen.
Wieder in Schlesien fanden wir in Gorzeszów (deutsch Görtelsdorf) diesen kuriosen einzeln stehenden Sandsteinfelsen.
 Diese Sage versucht eine Erklärung:
Der Teufelsstein zu Görtelsdorf (aus der Sagensammlung von Patschovsky). In Görtelsdorf lebten einst einige Männer, welche dem Laster des Trunkes und des Kartenspiels ergeben waren. Bei ihren wüsten Zechgelagen führten sie gottes­lästerliche Reden, und beim Kartenspielen sprachen sie die abscheulichsten Verwünschungen und Flüche aus. Stets entheiligten sie den Sonntag und gaben durch ihr Verhalten den Menschen das größte Ärgernis. Die Männer spielten und zechten sogar an Sonn- und Feiertagen während des Gottesdienstes und auch ununterbrochen an den letzten drei Tagen der Karwoche. Dem Teufel gefiel das Treiben dieser Männer, und damit sie keine Zeit haben sollten, sich zu bekehren, beschloss er, sie in ihren Sünden zu töten, denn dann gehörten sie ihm ganz für immer an. Die Macht, sie zu töten, besaß er aber nur in der Nacht in der Zeit von 12 Uhr ab bis zum ersten Hahnenschrei; denn mit dem letzteren war seine Gewalt gebrochen.Einst spielten diese Männer in der Adventszeit wieder die Nacht hindurch im Görtelsdorfer Kretscham, worüber sich der Teufel gar sehr freute, und er fasste jetzt den Entschluss, die Männer zu töten. Er ging deshalb nach Adersbach, wählte sich aus den Felsen einen passenden Stein, schlang ihn an einer Kette fest und trug ihn auf dem Rücken bis auf einen Berg in der Nähe von Görtelsdorf. Von hier aus wollte er den Stein auf den Kretscham schleudern, diesen zertrümmern und somit die Männer erschlagen. Es war am frühen Morgen, die Nacht breitete noch tiefe Finsternis über die ganze Gegend aus. Die Kirchenglocken waren erst verstummt und die frommen Ortsbewohner eilten zur Kirche, um der Roratemesse beizuwohnen. Plötzlich vernahmen die Spieler im Kretscham ein mächtiges, unheimliches Rauschen und gleich darauf einen gewaltigen Stoß, durch den das alte Wirtschaftsgebäude so erschüttert wurde, dass es in allen seinen Fugen krachte und dass die Fensterscheiben zitterten und klirrten. Zum Tode erschrocken falteten die Männer die Hände zum Gebet, und eine feierliche Stille trat darauf ein. Die Ursache von dem Rauschen und der furchtbaren Erschütterung war folgende: Der Teufel hatte den Stein nach dem Kretscham geworfen, aber während der Stein durch die Luft flog, ertönte zufällig ein Hahnenschrei, durch den die Macht des Teufels gebrochen wurde. Der Stein erreichte nun den Kretscham nicht mehr, sondern fiel schon 300 Schritte von ihm entfernt nieder. Er ist jetzt noch da zu sehen und heißt “der Teufelsstein”. Die Männer, welche nur mit knapper Not dem Tode entgangen waren, nahmen sich diese Warnung zu Herzen, entsagten dem Trunke und führten fortan ein christliches Leben.
10.10.2013
Die Truppe löst sich auf: Eva & Manne springen kurz entschlossen in Kowary (Schmiedeberg) in den Bus nach Hirschberg.
Wir fahren weiter nach Jagniątków (deutsch Agnetendorf) zu unserem guten Freund, dem Herrn Gnyp.
11.10.2013
Goldener Herbst auf der Großen Iserwiese ...
... und am Buchberg 
12.10.2013
Hinab gebraust nach Tanvald. Dort in den direkten Zug nach Dresden – nach Hause.