Dienstag, Oktober 08, 2019

Ein freier Tag in Skopje

0 Kommentare
Ich erreichte gestern Skopje früh genug, dass ich meine Heimfahrt noch gestern organisieren konnte. Ich benötige den heutigen Tag also nicht, um rüber nach Serbien ins Presevo-Tal zu machen. Ich werde einige Schleifen durch die Hauptstadt Nordmazedoniens ziehen.
Besuch in einer Garagenfirma: Schnapsbrennerei
Die Mazedonischen Revolutionäre von 1893
Skopje hat in den letzten Jahrzehnten ein bewegte Geschichte. Im Juli 1963 wurde durch ein Erdbeben große Teile der Stadt zerstört, über 1000 Menschen starben. Die Uhr am alten durch das Beben zerstörten Bahnhofsgebäude zeigt noch immer die Uhrzeit der ersten Schockwellen an: 5:17 Uhr. Ich kann mich noch erinnern, dass in der Schule (3. Klasse bei mir) zu Spenden aufgerufen wurde. In Skopje leben verschiedene Ethnien. Da sind die slawischen Mazedonier, die Albaner sowie etliche weitere Völkerschaften, wie die Aromunen (in Skopje immerhin 1,6%). In der Regel miteinander, immer mal wieder auch gegeneinander. Auslöser für ein Gegeneinander sind nationale Spalter, wie die Nachfahren der Inneren Mazedonischen Revolutionäre (IMRO) um Goze Deltschew.
Zentrum von Skopje 2014 mit dem Denkmal des Alexander der Große
Mit einer Reihe von monumentalen Bauten, Denkmälern und Kreuzen im Rahmen von „Skopje 2014“ sollte eine mazedonische Identität gestiftet werden.
Die Porta Macedonia
Andererseits wurden aber die Albaner und Muslime damit ausgegrenzt. Das Projekt „Skopje 2014“ war ein Prestigeobjekt der damals regierenden nationalistischen IMRO. Ich habe niemals zuvor so viele Denkmäler von Helden mit Löwen und Pferden in einer Stadt gesehen.
Die aktuellen politischen Diskussionen ergeben sich aus dem sogenannten Prespa-Abkommen, was unter anderen die Umbenennung in Nord-Mazedonien beinhaltet.
Meinungsäußerung am Denkmal der Mazedonischen Revolutionäre
NEIN!
Nein zu Prespa
Nein zur NATO
Nein zur EU
Stop dem Faschismus

Montag, Oktober 07, 2019

Die letzte Etappe von Veles nach Skopje

0 Kommentare
7.10.2019
Heute galt es nun die Heimreise zu organisieren. Zwischen Veles verlieren sich die beiden Fahrstreifen des Highways “Freundschaft”, former Alexander Der Große auf gut 50 km. Die Spur nach Süden führt zusammen mit der Eisenbahn unten im Vardar-Tal lang, das hier fast eine Schlucht ist. Der Fahrstreifen nach Skopje geht über einen gut 500 m hohen Bergrücken. Dazwischen wurstelt sich die alte Straße über diese mit Sträuchern bewachsenen Hügel. 
Oberhalb des Sees der Jugend
In Veles wird nur bis zum See der Jugend ausgeschildert, dann muss sich der Radler auf sein Gefühl oder eine OSM-Karte verlassen. Ich bin vor vier Jahren in Gegenrichtung schon an diesem Feldweg verzweifelt. Trotzdem kamen mir auf diesem Weg ein Tandempäärchen wohl aus England auf dem Weg nach Istanbul entgegen. Gegen Mittag habe ich dann den Vorort von Skopje Goze Deltschev erreicht. Der Plan zur Organisation der Heimreise geht wohl auf.

Es tut mittlerweile an etlichen Stellen des Körpers weh. Da ist das Monstrum von blauem Zeh rechts, eine Muskelzerrung links, die mich ganz schön humpeln lässt und das linke Knie, was wohl mit der Zerrung zusammen hängt. Beim Radeln stört das alles nicht, nur beim Laufen sehe ich noch älter aus als ich bin. Mal sehen, was ich morgen mache. Diese Zeilen schreibe ich im alten Basar von Skopje unter Minaretten, was jetzt als gewaltige “Fressgasse” genutzt wird. Überall dubelt der Kebab-Grill. Das Skopsko-Pivo wird vom Fass ausgeschenkt. Jetzt steige ich auf Wein um, T’ga za Jug.
Abfahrt ins Skopsko polje
Im Internet war nicht viel zu Busfahrten von Skopje aus nach Dresden oder Nürnberg zu erfahren. Ich setze meine Hoffnung auf den Busbahnhof in Skopje, eine weitere Option ist am Dienstag ca. 70 km weiter nach Preshovo in Serbien zu radeln. Dort gibt es am Mittwoch zwei Busse nach Fürth. Wie erwartet, gibt es an der Busstation Angebote in die Türkei, ganz ehemals Jugoslawien und Westeuropa, einschließlich Westdeutschland. Ich erhalte eine Fahrkarte für 80 Euro nach München, wo sie mir auch mein Fahrrad mitnehmen. Am Mittwoch 10.30 Uhr gehts heim.

Sonntag, Oktober 06, 2019

Im Tal des Vardar

0 Kommentare
Das Eiserne Tor von Mazedonien
Gestern noch durch das Mazedonische Eiserne Tor zu Alex, dem Bergsteiger (Khan Tengri im Tienshan) und Campbetreiber (“Rocklandcamp”) in einem Wettlauf mit der Sonne bis nach Demir Kapija gekommen. Den Wettlauf verlor ich. Das Zelt baute ich bei Sichelmondenschein auf, wodurch ich die Hundescheiße übersah. Sie klebte dann selbst an den Zeltstäben.
Demir Kapija ist ein Bergsteigerzentrum. Es gibt zu beiden Seiten des Vardar-Durchbruchs Schluchten und Wände. Dazwischen klemmt sich die alte Bagdad-Bahn von Wilhelm II., die neue Autobahn der Firma AKTOR (wohl ein großer Player hier auf dem Balkan, die bauen auch die Tunnel bei Pirot) und die alte Fernverkehrsstraße, die so zu einem prächtigen Radweg geworden ist. Der Highway heißt jetzt "Freundschaft", und nicht wie früher “Alexander Der Große”. So sehen die politischen Kompromisse aus, die Mazedonien - FYROM - Nordmazedonien für eine internationale Anerkennung und EU-Beitrittsaussichten eingehen muss.
6.10.2019
Heute ging es schwer gegen Wind weiter den Vardar aufwärts. Die alte Landstraße nach Veles parallel zum Autoput lässt trotzdem ein lockeres Pedalieren zu. Ich komme an der Ausgrabungsstätte Stobi vorbei. Hier war die Hauptstadt von Paionien, das Philipp um 350 v.C. eroberte, um seine Nordgrenzen vor den "Barbaren" zu sichern.
Es ist eine karge und trockene Landschaft
In den Pausen kristallisiert sich das Zlaten DAB als mein makedonischer Favorit heraus. Es ist ein Bier aus der Brauerei in Prilep. Die Dortmunder Aktienbrauerei hat hier wohl noch einen guten Namen mit der Marke DAB. Geht das Alles mit (Marken)rechten Dingen zu? Ich kann mich aus 2015 garnicht an den mazedonischen Rakija erinnern. Am Nachbartisch in Gradsko feierten einige echte mazedonische Helden. Der dicke Wirt ließ immer wieder die 1l-Rakija-Flasche kreisen. Ich bin hier in dem traditionellen Weinanbaugebiet, dem Tikves. Also muss ich doch mal den bernsteinfarbenen Stoff probieren. Daumen hoch!

Samstag, Oktober 05, 2019

Pella

0 Kommentare
4.10.2019
Ich besuchte in den letzten drei Tagen die großen makedonischen Königsorte: Aigai, der Hof des Phillipp II. mit dem Theater, dem Ort seiner Ermordung durch seinen Leibwächter und seinem Grab, Mieza, der Ort der Bildung des Alexander und Pella, Philipps und Alexanders Hof. Oder besser ein Hof seiner Vertreter, der künftigen Diadochen. Er war ja unterwegs, um mit seiner Bande, die orientalische Welt zu erkunden und auszubeuten. 
In Pella: Das Haus des "Dionysos"
Mit dem Geld konnte eine große Hauptstadt nahe am Meer und den wichtigsten Handelsstraßen erbaut werden. Die Agora in Pella war wohl eine der größten der hellenischen Welt. Pella, als eine der best erforschten antiken Stätten, und das zugehörige Museum war zu groß für die Auffassungsgabe des radelnden Ebs. Ich muss zu Hause noch einiges nachlesen. Das Museum ist nach Lebensaspekten gegliedert und jeder Aspekt überaus reichhaltig mit Artefakten ausgestattet. Ein interessantes Feld war der Rolle der Frauen gewidmet, die sich stark der Religion und dem Hexentum zugewandt haben. Dort gab es ein beschriftetes Artefakt (die Beschreibung des Materials habe ich nicht verstanden), wo Eine ihre Gedanken in einem nordgriechischen Dialekt nieder gekritzelt hat. Sozusagen ein Tweet. Diese Bildung und die Kenntnisse bedeuteten natürlich dann auch viel Respekt in der Gesellschaft, denn welcher hellenische Held (“Die hat Dinge gekannt!”) wollte es sich mit einer Hexe des Dionysos verscherzen. 
Die Agora (Markt) von Pella
Keine Rolle in der Beschreibung im Museum spielten die Sklaven. Fast muss man glauben, dass es hier nur den Rat der Stadt am nördlichen Rand der Agora, die Handwerker und die Hexen gab. Aber vielleicht war es mit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schon damals in der Antike etwas komplexer.
5.10.2019
Der Fluss Axiós (der Vardar) bei Polykastro
Ich bin im Grenzort Gevgelija, Nordmazedonien. Die Nordmazedonier haben politisch korrekt die Kennzeichnungen am Grenzübergang sauber überklebt, während unten in Griechenland noch in kleinen Nebenschildern “FYROM” angegeben ist. Gevgelija ist so einer Art Reno des Balkans, für Las Vegas fehlt das Spektakuläre. Mir gegenüber läuft an einem Casino der Jackpot-Zähler: 1.625.144. Die Maßeinheit ist nicht angegeben. Der Kurs des Mazedonischen Denar zum Euro steht bei knapp über 60:1.

Donnerstag, Oktober 03, 2019

Die Schule des Aristoteles

0 Kommentare
2.10.2019
Die Ouzo-Spur ist abgebrochen und wird wohl nicht mehr aufgenommen. Die 400 ml aus dem wundersamen Hinterhof in Thessaloniki hatten mir den Mund früh mit Filz ausgelegt. Aber das nur nebenbei.
Das Ende der Ouzo-Spur
Gestern war ich im Großen Tumulus in Vergina. Es ist wohl das Grabmal von Philipp II., Vater von Alexander dem Großen. Dieses Königsgrab konnte 1977 in großen Teilen unversehrt ausgegraben werden. Das Hügelgrab besteht aus vier Grabkammern, von denen die Grabkammern II und III bis zur Ausgrabung intakt waren, Grabkammer I war schon in der Antike geplündert worden. Weiterhin befinden sich im Grabhügel die Überreste eines Tempels, das heroon. Die zwei unversehrten Gräber sind die einer Frau, eventuell die Thrakerin Meda, und die eines Mannes, eines Königs, wohl Philipp II., König von Makedonien. Man betritt das Hügelgrab durch einen Gang, nachempfunden den Grabeingängen makedonischer Gräber. Drinnen ist es dunkel, nur die Vitrinen leuchten. Und natürlich die Zugänge zu den Grabkammern. Blitzlichtaufnahmen oder Videos sind verboten. Eine faszinierende museale Installation.
Der Große Tumulus in Vergina
Das Persephone-Grab
Das sogenannte Philipp-Grab
Die Gräber geben wichtige kulturgeschichtliche Hinweise auf die Selbstdarstellung der makedonischen Königsdynastie der Argeaden. Gegen die oft vertretene Meinung, Makedonien liege außerhalb des griechischen Kulturkreises, präsentiert sich die Königsfamilie in den Grabmälern als Griechen: Grabbeigaben zeigen Jagd- und Kriegsszenen sowie Symposien als Teil des griechischen Lebens des Königs; Waffen und sogar Gebrauchsgegenstände wie Weinmischer (der beweisen sollte, dass auch die makedonische Dynastie wie die Griechen den Wein nicht pur trank) sind als Reminiszenzen an das klassische Griechenland, Kremierung und Beisetzung der Asche an die Vorbilder der homerischen Epen zu werten. 
Alexander war sich des Erbes von Philipp bewusst: Laut Arrian von Nikomedien motivierte er seine Truppen mit folgender Rede. „Philipp übernahm euch als Stromer und Arme; viele von euch weideten, in Felle gekleidet, ihre wenigen Schafe in den Bergen und kämpften ohne viel Erfolg gegen die Illyrer, Triballer und ihre Nachbarn, die Thraker. Er hat euch anstatt der Felle Mäntel gegeben, euch aus den rauhen Bergen in die Ebenen hinabgeführt, hat euch den benachbarten Barbaren im Kampf ebenbürtig gemacht, so daß ihr auf die Festigkeit von Forts nicht mehr vertrautet als auf eure eigene Tapferkeit und euch behaupten konntet. Er hat euch zu Bauherrn von Städten gemacht und euch gute Gesetze und Sitten gebracht.“
3.10.2019
Diese Ebenen Makedoniens ist noch heute eine reiche Schatzkammer. Ich weiß jetzt, wie Kiwis angebaut werden.
Kiwi-Anbau
In dieser Gegend gibt es noch weitere viele Stätten des Königreichs von Makedoniens, wie Mieza. Bekannt ist die Stadt für ihr Nymphäum sowie dafür, dass Aristoteles hier von 343/342 bis 340/339 den späteren makedonischen König Alexander den Großen unterrichtete.
Das Nymphäum von Mieza (altgr. Μίεζα): Aristoteles hat hier von 343/342 bis 340/339 den späteren makedonischen König Alexander den Großen unterrichtetet.
Aristoteles setzt sich erschöpft auf seine Säule im Nymphäum. Die Nymphen und der noch kleine Alexander sind zur Hofpause. Hoffentlich kommt der nicht gleich wieder mit seinem Knoten. Der alte Lehrer will seine Ruhe haben. Aristoteles hat ihm schon mehrfach erläutert, dass er das anders lösen muss. Die ewige Knobbelei an diesem Knoten führt zu nix. Und die Nymphen mit ihren neumodischen Scherben in der Hand, besonders diese Meda. Naja, dieser Schlampe hat er das Ding jetzt weggenommen. Philipp hat ihr das wohl geschenkt. Auch egal. Er nimmt die Scherbe in die Hand, in Gedanken verloren. Er hält es hoch: Aristoteles hat ein Selfie in seiner Schule gemacht.
Aristoteles macht ein Selfie

Mittwoch, Oktober 02, 2019

Thessaloniki

0 Kommentare
30.9.2019
Die Anfahrt war hügelig und in platter Sonne, aber doch leicht. Es waren nur knappe 50 km, bis zu meiner vorher reservierten “Premium Suite”. Da konnte ich viele Pausen machen und mich mit Bernd, dem Flugsimulator-Pilot, über den Start am Flughafen Thessaloniki austauschen. Die Flieger starten mir auf meiner schönen Restaurant-Terrasse genau in die Augen, bevor sie eine Linkskurve über den Thermaischen Golf fliegen, vorbei am Olymp.
Anflug auf Thessaloniki
Die “Premium Suite” im 5. Stock mitten in der Stadt ist ganz mein Stil: Man kriegt per Messenger zwei Zahlencodes für die Haus- und die Wohnungstür gesendet, man trifft keinen und muss mit keinem Menschen reden.
Thessaloniki
1.10.2019
Ein Tag Großstadt. Diese Stadt hat eine abwechslungsreiche Geschichte. Einige der Spuren dieser Geschichte findet man in Löchern im Häusermeer. In der Tat, immer wieder gibt es Stellen zwischen den Häusern, wo man 2 bis 3 Meter hinab auf die gemauerten Spuren dieser Geschichte schaut.
Galeriusbogen: Durch die Längsseite des Bogens führte die Hauptstraße, die Via Egnatia, welche Italien mit den östlichen Provinzen verband
Die Rotunde (griechisch Ροτόντα Rotónda) des Galerius
Der markante Galerius-Bogen als Teil der alten römischen Stadtmauer ragt natürlich weit heraus. Genauso wie die Rotunde, eine Art Engelsburg, wohl auch ein römisches Grabmal.
Der Weiße Turm (griechisch Λευκός Πύργος, Lefkos Pyrgos), erbaut unter Leitung von Baumeister Sinān
Den Weißen Turm direkt am Kolpos Thermaikos hat der türkische Baumeister Sinan gebaut, ja genau der in Edirne mein Hotel baute.
Die Menschenfänger: Die Mädels begrüßen die männlichen Gäste, die Kerle locken die Frauen. In einer Stunde wird es keinen freien Platz mehr geben - an einem gewöhnlichen Dienstagabend
Jetzt gilt es noch die Ouzo-Spur zu erhalten. Ich befinde mich in einem Hinterhof, wo ein orientalisches Lokal ins andere übergeht. Es ist ein Strudel von Musik und Lampen und wunderschönen Frauen.