5. und 6. August 2006 Anreise mit Radetappe
Weil die Bahn zu wenig Radplätze im Zug "Wawl" zur Verfügung stellt, wurden wir zu einer 100km-Etappe nach Zielena Gora gezwungen. Bei niesligen Wetter trafen wir Eva am Eingang zum Branitzer Park. Früher soll es da eine HO-Gaststätte "Vorpark" gegeben haben, für uns tröpfelte es etwas. Dann ging es in Richtung Forschte. Anfangs haben wir uns noch für die Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Zum Beispiel das Raubrittertor von Klinge. Da soll es mal ein paar böse Buben gegeben haben, die ihren "Gästen", wenn sie das Lösegeld nicht gezahlt haben, den Unterkiefer heraus schnitten. Als man dem Raubzeug endlich habhaft wurde, machte man es mit ihnen genauso. So sind die Köpfe auf dem Tor dargestellt.
Weiter ging es bei "Forschte" über die Grenze und weiter durch die schlesische Heide. Doch dann brach in Lupsko bei Helmut beim Aufschließen des Radls der Schlüssel ab. Erst die zweite Säge des Kneipenwirts war einigermaßen scharf, endlich war das Schloss geknackt. Nun wurde es aber knapp, es waren noch 45km und es blieben noch 4h bis zur Abfahrt des Zugs nach Wroclaw. Am Ende blieben uns in Grünberg nur noch eine halbe Stunde zum Geldtauschen und Fahrkarten kaufen. Jens und seine Pedale hatten abwechselnd einige Momente der Schwäche. In Wroclaw lief alles wie geplant: Camping gefunden, Bier zum Schlafen bekommen.
Am Morgen nach einem kurzen Besuch in der Klosterstraße und am Markt zum Bahnhof. Jetzt sitzen wir in Krakow und warten auf Manne und das Gewitter, das im Süden schon grollt.
7. August 200
Radwege in Polen sind schwer
Mit Manne sind wir auf den Campingplatz "Smok". Das erste zu lösende Problem war Jensers Tretlager, er benötigte einen ordentlichen Steckschlüssel, um die Kurbel wieder befestigen zu können. Gefunden bei einem Kunden einer Waschanlage an einer SHELL-Tankstelle. Durch viel Verkehr fanden wir in Skrawina einen ausgeschilderten Radweg in unsere Richtung nach Zawoja. Bisher war schönes Wetter und es ging langsam bergauf. Das nächste Ziel auf den Schildern hieß Lanckorona. Der Weg wurde immer steiler und schien nie zu enden. Im Örtchen zeigten die Wegweiser des Bernsteinwegs weiter bergauf. Außer Manne hatten aber alle die Nase voll. Mit dem Versprechen meinerseits, dass wir den Weg schon wieder finden werden, fuhren wir erst einmal ordentlich bergab.
Tatsächlich fanden wir auch wieder die Wegzeichen, da die aber wieder bergauf führten, folgten wir ihnen nicht und landeten auf einer viel befahrenen Landstraße in Kalwaria Zebrz., was uns aber auch nicht behagte. Ein Blick in die Landkarte zeigte uns aber auch, dass wir jetzt eh falsch waren. Also wieder zurück, an einer Wallfahrtskirche (eben Kalwaria) vorbei, fanden wir auch wieder auf unseren Bernsteinweg mit seinen Zeichen und steilen Bergen zurück. Mittlerweile wurde das Sonnenloch über uns immer kleiner, die Wolken dunkler und als wir am Nachmittag in einer Kneipe in Stryszow beim Bierchen saßen, begann der Regen, der nun niemals wieder zu enden schien.
Zwei Mädchen aus Melbourne trafen auf ihrer Radtour auf den Spuren ihrer Vorfahren auch noch ein. Wir konnten uns mit der Kneiperin verständigen, dass sie uns die Arizona-Bar, ein Hinterzimmer, zum trockenen Bofen überließ. Nun brachen alle Dämme: Ich trank mit einem Polen ständig Cola-Wodka, Helmut verwechselte sein Bierglas mehrmals mit dem süßen polnischen Wein, so konnten wir gut schlafen, obwohl Manne schnarchte und ein süßlich-fauliger Geruch immer mal durch den Raum schwebte. Der sollte in den nächsten Tagen noch stärker werden.
8. August 2006, Missgeschick und Trennung
Schon gestern vor dem Regen bastelte ich an meinem Freilauf herum, immer wieder blockierte er. Nun wurde es immer schlimmer. Noch während unsere australischen Freundinnen ihren Müsli-Brei löffelten starteten wir. Wir werden sie aber noch öfter wieder treffen und staunend bewundern, wie schnell die beiden unterwegs sind und wie wenig Gepäck sie auf einer Reise auf der anderen Seite der Erde mithaben. Tapfer folgten wir wieder den Zeichen des Bernstein-Wegs, wie gewohnt steil über jeden Huckel in den Wolken. Bei mir ging es ja bergauf noch einigermaßen, da braucht man den Freilauf nicht. Doch als es nun endlich bergab gehen soll, musste ich meine zwei Zentner voll auf den schmalen und harten Sattel ablegen, denn die Füße musste ich von den Pedalen nehmen: Der Freilauf war nun völlig blockiert. Bei den steilen Abfahrten habe ich dann sogar geschoben. Nach einer weiteren erfolglosen Bastelei haben wir uns dann getrennt.
Ich bin zurück zur Bushaltestelle, ich glaubte man würde mich dort in die nächste Stadt nach Sucha Beskidzka mitnehmen. Dieser Ort stand auch als Zwischenstation auf den Schildern des Bernsteinweges. Natürlich fuhr in der nächsten Zeit kein Bus, deshalb aufs Rad und selbst gefahren - es ging ja im Prinzip. Verblüffend schnell, nach einer reichlichen halbe Stunde war ich in Sucha Beskidzka und fand dort mit Hilfe eines Taxi-Fahrers einen Laden mit Fahrradwerkstatt. Ich konnte auf die erfolgreiche Reparatur warten. Dann begab ich mich auf den Marktplatz in eine schöne Kneipe, um auf die Freunde zu warten.
Die waren wieder den Zeichen gefolgt, sie gelangten über immer steilere Wege in den Wald, wo sich auch die Zeichen verliefen. Nach ca. 5 anstrengenden Kilometern auf die Berghöhen der Beskiden kehrten sie um und erreichten auch endlich den Ort.
Wir sind dann noch bis Zawoja unter dem Babia Gora. Dort gab es ein Schild zu einem Zeltplatz (pole biwakowe) mit vielen Signets: Dusche, Wohnwagen, Feuer, Angeln usw. Wieder folgten wir Zeichen und erreichten einen kleinen Garten mit einer freistehenden Dusche, angeschlossen an einen Bach, einem völlig vergammelten Wohnwagen, Feuerstelle und rauschendem Gebirgsbach. Irgend jemand hatte ein Schild angebracht, man möge doch 50 Groszy für die Benutzung zahlen. Wir hatten keine Vorräte eingekauft, selbstverständlich war in dem Wohnwagen auch kein Bufet. Ich bin dann nochmal zurück ins Dorf und habe eingekauft. Der Besitzer des Gartens brachte dann aber sogar noch Feuerholz, doch wurden wir vom einsetzenden Regen vom Feuer in einen kleinen Pavillon vertrieben. Doch auch dort ließ es sich nicht aushalten, das Dach hatte viele Löcher. So war für das Frühstück noch einige Bierchen übrig.
9. August 2006, In der Slowakei
Es galt ein bisschen mehr zu frühstücken als die paar übrig gebliebenen Bierchen. Denn nun lag vor uns der Pass am Babia Gora, ca. 1000m hoch. Dies soll ein toller Aussichtsberg sein. Davon hätten wir nichts gehabt, alles lag in den Wolken, aber es regnete nicht. Helmut erzählte mir oben stolz, dass er mir 14 Minuten abgenommen hat. Ich habe die Herausforderung angenommen und bis zum Ende der Tour in Bratislava aber nur noch ca. 5 Minuten davon aufgeholt. Wir einigten uns dann darauf, dass er das Gelbe und ich das Gepunktete für den aktivsten Fahrer erhielt.
Auch in Slowakei gab es Zeichen für den Bernsteinweg, auch hier führten sie uns weg von der Hauptstraße und zurück in den Wald. Nach einigen Huckeln folgte eine lange Abfahrt über die Grenze ins Oraver-Land (SK). In Namestovo am Stausee füllten wir die Kasse mit slowakischen Kronen auf und richteten uns auf einem Campingplatz am Stausee ein.
10. August 2006, Was Kulturvolles
Wie schon gestern gesagt: Die von Helmut vorgezählten 14 Minuten forderten mich schon heraus, zumal ich mich nach dem Abenteuer auf dem Balkan nun auch in Form sah. Außerdem wurde uns der nächste Pass auch geschenkt, will heißen: Nur wenige 2 Kilometer hoch und eine tolle Abfahrt. Hier konnte ich nach einem kräftigen Spurt sogar die Bergwertung gewinnen, ich war als erster bei der schönen Kneipe.
Unten nach der Abfahrt erwartete uns einer der wildesten Burgen, die ich kenne, die Oraver Burg. Es gibt eine lange Schlange am Kassenhäuschen und oben am ersten Burgtor wird nur alle 15 Minuten eine Gruppe reingelassen. Auf unserem Billet steht 12:30 Uhr. Endlich beginnt eine interessante aber auch lange Führung durch die drei Ebenen der Burg. Oben ist die Älteste, je ruhiger die Zeiten wurden, konnte nach unten immer wieder angebaut werden. Es sind am Ende derer von Thurzo, die hier residierten, aber auch ein Eszterhazy gab es. Einer hatte an einer Hand sechs und dafür an der anderen nur vier Finger. Und mächtig gebrannt hat es um 1800, das Feuer loderte 14 Tage und sei bis Krakau zu sehen gewesen. All diese Geschichten und mehr erfuhren wir von unserer Führung auch auf deutsch, sehr gut das Mädchen.
Ein Regen an einer Bushaltestelle im Tal der Zazriva in der Mala Fatra verhalf der Fraktion der Warmduscher zu unserem ersten Hotelaufenthalt, ich gehörte auch dazu. Wir übernachteten im Hotel Hutnik. Erst die typische Gastfreundlichkeit der staatlichen Hotels: "Wir haben nichts frei!". Es gab dann aber doch noch drei Zimmer für uns. Als vorsichtiger und gesitteter Mensch habe ich meine Schuhe im Flur ausgezogen, doch der süßlich-faulige Gestank war so impertinent, dass ich meine Schuhe nebst Socken draußen bei den Fahrrädern ließ und erst einmal eine Fußdusche nahm. Alles hilft aber nur zeitweise, neue Schuhe müssen die alten Plastedinger ersetzen. Helmut verordnet mir sogar die chemische Keule, er wünscht sich Fußspray für mich.
11. August 2006, Von nun an nur noch bergab - im Prinzip
Es galt aber erstmal noch den kleinen aber recht steilen Pass zwischen Zazriva und Terchova zu überwinden. Das alles als Frühsport, denn erst in Terchova fanden wir die schöne Verbindung von Supermarkt und Biergarten. Da es nun wirklich erstmal tagelang nur noch bergab im Vah-Tal gehen soll, leisteten wir uns einen Abstecher ins Vratna-Tal durch die Felsenschlucht, wo Janosik, der Held der Berge wacht.
Wie gesagt bergab, eine Strecke für Brummer wie mich. Hier konnte ich mir 5 Minuten bis vor Zilina von Helmut zurückholen. Hier konnten wir den Aufschwung in Osteuropa beobachten. Hier bauen die Koreaner von KIA die Autos für den europäischen Markt. Fast das ganze Tal am rechten Vah-Ufer von Zilina bis Varin ist mit Industriebetrieben zugestellt.
Als ich wegen des blockierten Freilaufs mein gesamtes Gewicht auf dem Sattel abgeladen habe, hat er etwas mitgekriegt, jedenfalls ist jetzt eine Strebe gebrochen. Es gilt Ersatz zu besorgen, wenn auch nach einem Verschieben der Bruchstelle in die Befestigungsschelle ich erstmal weiterfahren kann. Wir treffen auch unsere beiden Aussie-Girls wieder und fahren bis Bytca zusammen. Sie sind aber wirklich schnell unterwegs. Ich kann hier einen Laden finden und so fahren sie weiter und wir tauschen beim Bierchen den Sattel. Bei Puchov in einem Seitental finden wir einen sehr schönen Platz zum Zelten.
12. August 2006, Gilt heute als erster Regentag
Lockeres Pedalieren im Vah-Tal, vorbei an den vielen Burgen. Immer die Vah-Seite wechselnd, um auf verkehrsarmen Straßen fahren zu können. Doch bald nimmt die Autobahn den ganzen Verkehr auf, wir kommen gut voran. In Beckov beginnt es dann ordentlich zu regnen. Zwei Strategien werden verfolgt: Mit viel Regenzeug das Darunter trocken zu halten oder so wenig wie möglich nass werden zu lassen. Da es immer noch einigermaßen warm ist, nutze ich die zweite Strategie.
Als wir in Piestany ankommen regnet es immer noch. Wir finden einen Zeltplatz. Die Zeltplatzwärterin sieht aus, als wäre sie aus Molwanien, dem Land des schadhaften Lächelns hierher gekommen. Sie bietet uns für wenig Geld die Benutzung der Hütten an. Angenommen!
13 August 2006
Nur noch ein kleiner Huckel
Es ist zwar Sonntag, aber bei Tesco kann man trotzdem Schuhe kaufen. Also bin ich mit meinem Style-Berater Helmut Richter zu einer Boutique in diesem Supermarkt gegangen, um komplett mein Schuhwerk auszutauschen. Ich kam also mit einem Paar Sandalen und einem Paar Turnschuhen, beide von der Marke "ECCO", wieder heraus. Helmut verpasste mir noch das angedrohte Fußspray. Draußen an der frischen Luft wurde getauscht und entsorgt.
Nun sind wir fast ein bisschen zu schnell, ohne Probleme würden wir heute noch in Bratislava sein können. Deshalb wählen wir eine Variante und verlassen das Vah-Tal nach Westen über die Kleinen Karpaten. Hier lasse ich mich noch einmal von Helmut herausfordern, doch er hat nach
den ca. 5 km bergan nur 200 m Vorsprung. Es war aber auch nicht so schlimm steil. Hier sind wir in einem Paradies für Raubgräber, das behauptet jedenfalls ein Typ mit einem gepimpten Fahrrad. Er erzählte, dass auf den umliegenden Hügeln überall Zeug der alten Kelten oder noch früher, von der Lausitz-Kultur zu finden seien. "Archäologie in der Slowakei heißt Raubgraben durch Amateure.", so seine Behauptung.
Auf der Karte haben wir uns für heute einen Campingplatz an einem kleinen Stausee ausgesucht (Bukova). Der liegt so scheints nur anderthalb Kilometer abseits der Straße. Tatsächlich ging es nochmal 3 km in die Berge. Hier fanden wir wie in einem versteckten Tal einen schönen Platz am See. Diesmal waren wir vorbereitet, wir hatten vorher eingekauft.
14. August 2006
Bratislava erreicht
Bei der Tour de France gibt es die Tradition der "Champagner-Etappe", das ist die letzte Etappe bis Paris und hier wird der Führende nicht mehr angegriffen. Auch wir einigten uns auf die Verteilung der Trikots und erreichten locker Bratislava. Dorthin führte uns der Weg auch an der Thebener Burg vorbei (hrad Devin). Schon in den achtziger Jahren versuchten die Schnappis und ich schon einmal dorthin zu kommen. Die Burg liegt direkt an Mündung der March in die Donau, das ist Grenze zu Österreich. Wir wurden von den Grenzern geschnappt und zurück geschickt. Nun konnte ich erkennen, dass ich nur 500 m von der Burg entfernt war, als ich bei der Auslöse von Detlef (er hatte keinen Ausweis dabei, den mussten wir erst vom Zeltplatz in Bratislava ranholen) bis nach Devin unbehelligt reinfahren konnte. Denn bei dieser Fahrt wurde der Stadtbus von den Grenzern nicht angehalten.
Die March und die Donau führen Hochwasser, vor wenigen Tagen muss es noch einen knappen Meter höher gestanden haben, jedenfalls war der Radweg rein nach Bratislava an einer Stelle auf zu 20 m völlig verschlammt. Mein Vorderrad hat sich sogar beim Schieben fest gefressen durch den zwischen Reifen und Schutzblech angelagerten Schlamm. Etwas verdreckt kamen wir in Bratislava an. Fahrkarten geholt, Kasse beim guten Essen aufgelöst und Regen abgewartet. Dann der Abschied: Ich bin in ein Hotel mit Badewanne, denn meine Tour geht weiter, die anderen sind mit dem Zug nach Hause gefahren. Dabei soll es noch Vorkommnisse gegeben haben. Bitte an die Beteiligten: Hier durch einen Kommentar ergänzen.
Für die schönsten Bilder bedanke ich mich bei Eva!
Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
Eberhard Elsner
Noch habt Ihr die guten Zeiten,
nach denen Ihr Euch in spätestens 10 Jahren sehnen werdet.