Sonntag, Oktober 29, 2017

Herwart auf dem Jeschkenkamm

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28. - 30.10.2017; Teilnehmer: Der Abt, Ralf, Manne, Helmut, Jenser und EbsEls

Endlich war es soweit, es dämmerte, ich konnte aufstehen. Pinkeln war schon seit drei Stunden notwendig. Nun also endlich aufstehen.
Gestern Abend in der Kneipe der Chata Pláně pod Ještědem hat die Wirtin uns immer wieder vor dem herannahenden Sturm mit 130 km/h gewarnt, sie wies bei jedem Wetterbericht auf den Fernseher. Einen Platz in ihrer Herberge wollte sie uns aber nicht anbieten. Ralf fand auf der Leeseite des Jeschkenkamms einige moosige Plätzchen im Wald für unsere Zelte, dann gleich in der späten Dämmerung dort aufgebaut.
Der auch noch am Morgen mächtige Sturm riss mir den Apsidenvorhang des Hubba Hubba aus der Hand, die Böe blies zwei Liter Graupelregen in mein Zelt. Der Häring zum wieder Abspannen des Zeltes war nicht mehr im Laubblatthumusboden zu finden. In Unterhosen bei immer wiederkehrenden Böen mit Graupelschauer begann ich mit den Abriss des Zeltes. Plötzlich spreißelte 20 m hinter mir Holz, ein Baum knickte ab und krachte zu Boden. Dem einem Gott zum Dank, nicht auf die Zelte meiner Freunde, die noch in ihre mehr oder weniger trockenen Schlafsäcke gekuschelt, auf das Ende des Regens warteten. Ich fand einen halbwegs windschattigen Platz bei der anderen Herberge, um meine sieben Sachen mit klammen Fingern notdürftig zu ordnen. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Der windschattige Platz bot uns auch ein paar Bänke und Tische für das Frühstück. Wir setzen unsere Wanderung auf dem Kammweg zum Gipfel des Jeschken fort.
Das Heulen und Donnern des Sturms um den Turm auf dem Jeschken war überaus beeindruckend. Nach dem mehrbierigen Besuch des Turmrestaurants ebbte der Sturm etwas ab. Vom Zelten waren alle geheilt, die nächste Übernachtung sollte in einer festen Unterkunft sein. Als es langsam dämmerte, erreichten wir den Křižanské Sedlo zum Kryštofovo Údolí. Dort sollte es eine Pension Novina geben, schnell gefunden, aber alles dunkel. Ab 16 Uhr sollten Gäste laut eines Aushangs Eingang finden. Dieser Zeitpunkt war verstrichen, der Abt, Ralf und Manne hatten keine Geduld, sie suchten in Novina nach Alternativen. In der Tat gab es aber einen großflächigen Stromausfall, niemand wollte Gäste ohne Strom in eine der zahlreichen weiteren Pensionen aufnehmen. Wir entschlossen uns in der Hoffnung auf eine Zugverbindung zum nächstgelegenen Bahnhof in Křižan zu laufen. Dort stand sogar ein Triebwagen, der Bahnhofsvorsteher sagte jedoch: “Keine Strom, Autobus kommt erst morgen früh.” Nach einigem Hin&Her ließ er uns aber im Warteraum, dessen Nachtspeicherofen noch ein wenig Wärme und Trocknung spendete, bofen.
Kurz vor Sechs sprang das Licht an, wenig später offenbarte der Bahnhofsvorsteher den Bofern: “In 10 Minuten fährt der Bus nach Liberec.” Naja, so schnell sind wir nicht fertig. Wir verfrühstückten unsere flüssigen und festen Proviantreste. Ich hatte die Lust komplett verloren: “Ich will heim!” Die anderen Fünf sind noch einen halben Tag lang bis in die Gegend von Jítrava gewandert und mit dem Bus nach Hrádek nad Nisou. Auf der Heimfahrt erhielt der Sturm durch die Zugausfallanzeigen auf den sächsischen Bahnhöfen auch einen Namen: Herwart.

Mittwoch, Juni 28, 2017

Ein Drama bei der Taufe

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Das Wetter entwickelte sich nach zwei kräftigen Regenschauer am Morgen zum Positiven. Bei der zweiten Regenpause amüsierte ich den Kneiper in Günzach mit meinem Wunsch nach einem “Regenbier”. Es wurden zwei.
Gasthof "Zum Goldenen Kreuz" in Engetried
Um 1886 muss es ein kleines Drama in Engetried im Günztal gegeben haben. Es war zur Taufe eines Mädchens. Auf das Taufwasser reagierte die Kleine mit einem herzzerreißenden Geschrei. Es war ein wahres Crescendo, musikalische Vortragsbezeichnung für „lauter werdend“. Der Pfarrer, sichtlich genervt, konnte nicht anders und sprach: “Ich taufe Dich auf den Namen Kreszenzia”. Kreszenzia hatte ein erfülltes Leben, dies bezeugt das Schild anlässlich der Goldenen Hochzeit 1959 mit ihrem Blasius im Wirtshaus “Zum Goldenen Kreuz” in Engetried.
Auf Blasius & Kreszenzia: Gedenkscheibe im Wirtshaus
So habe ich mir die Entstehung dieses wunderbaren Taufnamens zusammengereimt. Mein Bruder meinte aber später: "Die haben hier solche Namen." Und in der Tat: Der Name Crescentia bedeutet auf Latein Wachstum. Es gab eine von Papst Johannes Paul II. am 25. November 2001 in Rom heiliggesprochene Maria Crescentia Höss aus Kaufbeuren.
Ich bin gut in Illertissen bei Andrea & Helmut angekommen.

Dienstag, Juni 27, 2017

Der Lechfall

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Ein Fehlstart in Boden: Mit dem den ersten Stramplern hinauf auf die Hahntennjochstraße aus Boden beginnt es zu regnen. Nach einer knappen halben Stunde ein Regenbier im Gasthaus “Zur Gemütlichkeit” in Bschlabs bestellt, der Kellner stellt mir das Bier hin und der Regen hört auf. Der Kellner meinte bei der Bestellung noch: “Dös muss aber a’ Großes sei.”
Lechtal bei Elmen
Der Lechradweg ist wunderschön, nicht nur weil er in meiner Richtung nur bergab geht. Er führt immer wieder auf den Lechbänken durch lichten Kiefernwald. Der Lech mäandriert über eine lange Strecke noch ganz eigenwillig als Naturfluss. Ich bin dann mal runter zu den Kiesbänken, um mal eine Kiesbankwolfsspinne zu finden, kein Glück. Sie erspürt herannahendes Hochwasser in den Kieseln und gräbt sich ein Loch, verspinnt es und kann mit dem Luftvorrat das Hochwasser überleben. Erst kurz vor Reutte gibt es eine Geschiebefalle. Wer wird dereinst das Geschiebe aus der Falle befreien?
Während der Lech in seinem Alpental bräsig vor sich hin mäandrieren kann, muss er sich dann durch die wohl nur ca. 500 m lange Lechschlucht vor Füssen zwängen. Die schlauen Schwaben habe gegen Ende des 18. Jhdt. aus einigen Fluten gelernt und oberhalb der Lechschlucht den Lechfall gebaut. Eine Aufstauung und einen Tunnel, der noch heute Energie liefert, schützte die Mühlen in Füssen und lieferte stetige Energie für ihr Werk. Meine Energie erhielt ich von einem Mariahilfer Bier vom Kössel Bräu in Eisenberg. Nun bin auch wieder in Deutschland.
Wiese im Königswinkel: Wer entdeckt das Schloss?
Ich konnte den “Dampflokrunde”-Radweg bei Roßhaupten finden, es war ein Lust am Pedalieren Richtung Marktoberdorf, was ich mir als Ziel gesetzt hatte. In Steinbach am alten Bahnhof war ich Teil einer Runde von freiwilligen Brandlöschern. Das Bier gab es für eine Spende von einem Euro. Die Schwaben ließen die Verschwendung nicht gelten, als ich für mein Bier 2 € spenden wollte. “Da hascht Du noch Eins gutt!” Vielleicht konnte ich Einen für einen Familienurlaub an der südlichen Schwarzmeerküste bei Sozopol in Bulgarien begeistern. Ich habe mich gerade bei meinem Bruder gemeldet, morgen sollte ich in Illertissen sein.

Montag, Juni 26, 2017

Genieß es!

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“Genieß es”, sagte der Wirt vom Hirschen in Imst zum Schluss, nachdem er mich als ersten Gast am Montag begrüßte und nach dem Woher&Wohin fragte. “Du bist noch ohne Elektro unterwegs?” Nach dieser Frage klang das “Genieß es” eher wie “Quäl Dich!” Ich starte in Imst zum Hahntennjoch.
Panorama am Linserhof
Der Linserhof ist die letzte Logistikstelle. Die muss genutzt werden, denn es kommen schon die ersten Zweifel. Der Linserhof liegt auf einer Alm auf knapp über 1000m vor dem Panorama der Pitztaler Alpen. Ich habe mich von diesem Panorama, von der Badestelle und all den anderen Versuchungen losgerissen und bin den Pass angegangen.
Aufwärts ...
Es gab noch einige retardierende Momente, ich habe es aber geschafft … geschoben, zu 95%. Kurz vor dem Pass gab es die Imster Melkalm Maldon, lauter Schirmchen davor. Also bin ich hin und konnte mir ein Weißbier zapfen lassen. Dann wurde die Alm zugemacht und die Senner, im Alter zwischen 70 und 17, holten die Kühe in den Stall. Die alten erfahrenen Rindviecher drängelten bereits am Tor mit lautem Blöcken, die Jungen mussten rangetrieben werden. Es war ein großes Theater bis jedes Rindvieh im richtigen Stallstandort war. Mir schien es, dass es Streit zwischen dem Vieh im Stall gab, wenn ein Rindvieh auf dem falschen Platz Stand. Es gab vier Eingänge in den Stall, es rumste drinnen und eine Kuh kam wieder raus. Die Senner trieben sie dann zum korrekten Eingang hin.
Geschafft!
Abfahrt nach Boden und Bschlabs
Nun bin ich im Berggasthof “Bergheimat” in Boden. Der Kellner ist ein Ungar und kennt Lauscha, wie klein die Welt ist. Es gewittert wieder.

Sonntag, Juni 25, 2017

Inn aufwärts

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So richtig zu regnen begann es erst, als ich unter der Dusche stand … aufgehört hat es gegen 11 Uhr. Der schwäbische Bauer ist wieder zurück in sein Zelt und hat geboft bis gegen 10 Uhr. Ich habe auf einen Frühschoppen gewartet. Erst hieß es, gegen 8 Uhr, dann 11 Uhr. Dann musste ich auf geheiß des Chefkellners meinen trockenen Platz räumen. “Wir müssen die Plätze zu Mittag herrichten! Wir öffnen erst um 12 Uhr.” Da habe ich mein Zelt abgebaut und bin losgeradelt.
Inntal: Stift Stams
Genau richtig, der Regen hatte sich gelegt. Zu Beginn ein kleiner Fehler, statt eines Radweges war ich auf dem Holzweg und völlig von der Pampe vollgespritzt. Dann aber war es ein lockeres Pedalieren bis in die Gegend von Imst. Morgen will ich das Hahntennjoch probieren, wo wir einst mit Loths 353er Wartburg waren.
Inntal bei Imst

Samstag, Juni 24, 2017

Über den Brenner

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Heute wieder ein Hupperle mit dem Zug: Von Prato, über Bologna auf den Brenner.
Gedenktafel für die Opfer des faschistischen Terrors 1980
Der Anschlag von Bologna war ein Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof der italienischen Stadt am Morgen des 2. August 1980 durch die neofaschistische Organisation "Neue Ordnung". Der Untersuchungsrichter Felice Casson fand bei der Aufklärung im Archiv des Geheimdienstes SISMI Dokumente, die auf eine geheime Organisation namens Gladio hinwiesen. Dahinter steckte CIA und MI6 mit ihren Stay-behind-Operationen im Kalten Krieg. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten.
Es beginnt die Abfahrt vom Brenner durch das Wipptal
Die aufsteigende warme Luft verursachte auf der Fahrt hinunter durch das Wipptal einen starken Gegenwind. Oft musste ich ganz ordentlich strampeln - bergab! Dann weiter an den westlichen Stadtrand von Innsbruck auf den sündhaft teuren Camping Kranebitten. Es gewittert. Hier teile ich mir den Platz #60 mit einem Schwaben auf großer Radtour, der aber an der Rezeption auch keinen Rabatt herausschlagen konnte. Es ist ein pensionierter “selbstständiger Bauer” aus der Gegend von Ellwangen. Er ist von zu Hause nach Donauwörth geradelt, dann die Donau abwärts bis Passau und den Inn aufwärts bis hierher. Sein Ziel ist der Malojapass, dass wäre von St. Moritz nicht weiter hoch, rüber ins Rheintal und nach Hause. Eine großartige Runde! Er hat eine blitzneue Ausrüstung, das VAUDE-Zelt baute er während der Tour zum ersten Mal auf. Meine Einladung zum Glas Bier lehnt er dankend ab, “Null komma Null!”
In der noblen “Garda-See”-Diele komme ich mit einem Typen ins Gespräch, der sich erstmal beschwert: “H..mm! Ich bin voll.” Er scheint mir als einzigster Tiroler aus Kranebitten hier zu Gast zu sein. Er bestellt aber noch eine “kleine Nachspeise”, drei Kugeln Eis. Er erforscht gerade die Aktivitäten der Stonehenge-Leute auf den Bergen Serles und Patscherkofel. Zur Sommersonnenwende war er oben auf dem Patscherkofel und hat faszinierende und geheimnisvolle Energien erfahren, als bestimmte Steine, der Berg Serles und die Sonne in Linie standen. Er war auch schon am Sonnenobservatorium Goseck forschen.

Freitag, Juni 23, 2017

il primo e l'ultima volta

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San Gimignano: Partnerstadt von Mestia
Ich habe die Toskana durchquert. Es ist sicher die schönste Landschaft, die ich jeh sah … aber man muss sie sich auch leisten können. Die Sache mit dem Geld ist klar. Mit einem Auto & Camper wie die vielen Nieder- und Engländer zählt nicht. Man sollte es schon wie die Italiener machen, mit dem Rad. Oder dem Pilgerstab auf den Franzenswegen. Sei sicher, Dir wird geholfen, wenn die Sonne und die Anstiege Dich ausdörren und herausfordern. Wie gerade mir eben, beim Aufstieg auf den Höhenzug Montalbano bei Vinci, dem Stammort des letzten großen Universalgelehrten und Genies. Für den letzten Kilometer (wirklich) erbarmte sich meiner ein kerniger Mäher. Mein Rad kam zu seiner Maschinensense hinten rein in den Kleinlaster, wir haben uns sogar mit ein paar Wörtern vorne unterhalten können. Ein feiner Kerl. Ich bin jetzt wieder auf 440 m aus dem Tal des Arno aufgestiegen. Die 350 Höhenmeter vorher habe ich selbst geschafft (geschoben). Der feine Kerl lockte mich auch zu der Aussage: “Il primo e l'ultima volta! Das erste und das letzte Mal.” Und in der Tat, ich werde morgen versuchen, mit dem Zug auf den Brenner zu treideln und damit das Kapitel Italien abzuschließen.
Blick in das Tal des Arno bei Florenz
Aber noch ein wenig genießen, die Abfahrt und die Trattoria Ristorante il Barco Reale in Carmignano: Auf meine Frage nach was zu Essen, guckt der Wirt auf die Uhr. Antipasto del Barco, alle Spezereien der Toskana von Salami über Schinken bis zum Käse auf einer Vesperplatte, und Coniglio all’ etrusca, ein Schweinerollbraten an Oliven. Ich kann es nicht mehr beschreiben, mir fehlen die Worte. Worauf ich sonst bei einer Radtour warte, auf eine kulinarische Überraschung - hier jeden Tag.

Donnerstag, Juni 22, 2017

Chianti in Chianti

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Ich habe schlecht geschlafen, die Matte lässt Luft und ich habe Brand. Es ist aber nur der Schluck des Grundes allen Übels da. Schon die ganze Zeit ist das Wassermanagement meine Hauptaufgabe, ich darf da nie zu knapp kalkulieren. Der Verbrauch ist riesig, bestimmt mehr als 5 l pro Tag. Wasser! Wirklich. Ich schütte mir ja auch immer mal was in die Mütze oder ins Kreuz, wenn das Wasser noch kalt ist. Es gibt hier erheblich weniger Brunnen und Quellen wie auf dem Balkan.
Der Radweg hier heißt “L’Eroica”, muss was mit dem Giro zu tun haben. Es sind eine Menge überaus sportive Italiener (selbst meines Alters) mit dem Rennrad unterwegs. Sie ermuntern mich alle, aber ich habe hier nichts zu suchen zwischen den Helden des Radsports. In Radda in Chianti verlasse ich diese Szene und nehme den Weg bergab nach Norden. Die fünf Kilometer auf der “L’Eroica” haben mich fertig gemacht. Die Route verbindet mit Castellina in Chianti, Gaiole in Chianti und Radda in Chianti die touristischen Höhepunkte des Chiant. Jetzt in Lucarelli sitze ich in einer Bar und trattoria.
Hier gibt es Peposo
Die Essenszeit beginnt um 12 Uhr, ich bin pünktlich. Nach den Gnocchi bestelle ich ein Peposo. Im englischen Untertext wird es als “Renaissance”-Rezept bezeichnet und mit 9 € bepreist. Es war der Wahnsinn: Die Rindfleischstückchen waren in der Weinsauce so gar, dass sie von der Gabel angestochen, zerfielen. Der Sauce wurde ich mit dem guten Brot Herr. Jetzt wo ich das schreibe und, um die Begriffe korrekt wiedergeben zu können, noch mal in die Speisekarte schaue, sehe ich eine ausführliche Seite zu diesem Gericht.
Seit diesem herrlichen Gericht ist eine reichliche Stunde vergangen und ich bin ca 6 km geradelt bzw. jetzt zum Schluss geschoben. Mehr schaffe ich nicht. Ich sitze jetzt wieder beim Chianti.
Bald die nächste Rast
Das hier in La Piazza, ein klitzekleines Dorf auf einem Hügel (335 m) umsäumt von Oliven- und Weinparzellen und viel Licht, ist jetzt wieder eine Touristenfalle. Es sind viele Skandinavier hier, Holländer und Großstädter aus Italien, die Deutschen sind wohl noch zu Hause fleißig. “Enzo Ferrari” lässt sich von seiner Angetrauten im VW Golf kutschieren.
Einige schwere Hügel weiter in San Donato in Poggio ist in den nächsten Tagen ein großes internationales Bogenschießen-Event. Ich habe zusammen mit Engländern Bier getrunken und mit Kärntnern einen großen Schoppen Weißen. Jetzt ist es Zeit eine albergo zu suchen. Ich fand den Campingplatz Panorama del Chianti.

Mittwoch, Juni 21, 2017

Avanti popolo

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Avanti popolo
Nun es wundert mich nicht, dass die Sozen sich die Toscana als Endpunkt ihrer Evolution ausgesucht haben. Es finden sich noch Relikte aus der Zeit des gemeinsamen Kampfes unter der bandiera rossa wie im casa del popolo in Badia Agnano.
Haus des Volkes
Wandschmuck im Haus des Volkes

Für ein paar Euro wählst Du Dir, Genosse, Salami oder eine Ecke pecorino, dazu ein ordentliches Glas Wein des Hauses. Die Gute vom Tresen serviert Dir noch ein Bisschen was Gesundes in Form von Obst und Gemüse dazu. So schmeckt Dein Sieg im Klassenkampf.
Ich beginne meinen Angriff auf das Chianti genau mit dieser Taktik, obwohl mir klar ist, dass man damit nicht weit kommt. Den ersten Pass bei Civitella in Val di Chiani habe ich ausschließlich mit Wasser angetrieben geschafft. Dann an einer Kreuzung eine Bar Alimentarie … Im Kühltresen ausschließlich Spezialitäten, ich ließ mich vom pecorino, einem hartem Schafskäse, inspirieren, dazu einen vino bianco. Könnt Ihr Euch noch an den ersten Schluck vom Melnik 13 erinnern? So erging es mir, als ich auf den Roten umstieg. Nun sammele ich meine Kräfte für den Aufstieg nach Nusenna in Mercatale Valdarno aus dem Tal des Arno. Ich habe mir noch einen vino bianco geholt.
Aufstieg zum Monteluco
Dieser Aufstieg wird einem campione gerecht. Oben auf dem Berg (800 m.ü.d.A.) des Fernsehturm Monteluco in der Bar hängen Bilder der Giro-Helden. Es sieht so aus, dass ich das Chianti-Land vom höchsten Punkt aus erobere. Ich bin fix und fertig.
Monti del Chianti (Chianti-Berge)
Jetzt sitze ich auf der Terasse einer osteria in Castagnoli mit einer herrlichen Aussicht auf Weinberge des Chianti, immer noch 500 m hoch. Der Wald endet bei ca. 550 Höhenmeter, dann kommen kleinteilig Parzellen mit Wein und Oliven. Es war heute meine erste Bestellung, die der Italiener in seinem Restaurant mit dem Wort “perfetto” quittierte. Ich bestellte korrekt primo und segundo … und es war perfetto. Primo - als erster Gang penne all’amatriciano, als Zweites - segundo - einen Bohneneintopf, fagioli all’uccelletto. Nun flippe ich aus, ich habe eine ganze Flasche Chianti classico Cantalici mir hinstellen lassen. Avanti Ebbo ...
Die Flasche, noch reichlich voll, begleitete mich zu einem Platz zum Zelten. Unter der Madonna beschäftigte ich mich dann mit dem Rest, einen großen Schluck für früh übrig lassend.

Dienstag, Juni 20, 2017

Ein Pizzatag

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Mugnano
Ich habe es angenommen, das italienisch leben. Glaube ich zumindest, der Italiener an sich möge in seiner überlegenen Art schmunzeln. Er ist aber sehr freundlich. Wenn ich an einem schattigen Platz an der Straße mich erschöpft auf mein Rad stütze, hält immer mal einer an, und fragt, wie es mir geht. “Bene, grazie!” Ich sehe nur vormittags den Einen oder anderen Rennradler. Heute gab es im Hotel in Attigliano am Tiber nur ein italienisches Frühstück: Einen grande cafe und ein Stück trockene Torte. In Castiglione in Teverina, der antiken Weinstadt, fand ich eine Pastizeria und Pizzeria für die Vesper am Vormittag. Der Bäcker war ein mächtiger Hirte, der blitzschnell aus dem Blech mir ein Stück Mozzorella & Oliven-Pizza herausschnitt. Dazu ein birra grande der Marke “Nostri azzurro”. Diese Kombination macht Appetit, ein weiteres Stück ruckzuck aus dem Blech herausgeschnitten, pomodori und auf einem Quadratmeter Pizza anderthalbe Sardellen, sehr lecker. Nichts, aber auch garnichts, was mir bisher als Pizza vorgesetzt wurde, kann sich mit diesen Meisterstücken messen. Als ich bezahlen wollte, hatte er was Neues hingestellt, was PANIERTES. Das musste ich kosten, eine Rollade 3x6 cm, möglicherweise waren drinnen Graupen, wie in der minestrone? Großartig. Die Rechnung: 7 €.
Castiglione in Teverina - antikes Land der Weinherstellung
Es ist hier Weinland, es ist in Italien wohl überall Weinland und jeder fördert seine Marke. Ich habe gerade einen trockenen vino bianco aus der antiken Weinstadt gekostet. Sie freuen sich, wenn man den hiesigen Wein lobt … und verdammt, er ist auch immer gut.
Orvieto ist eine mächtige befestigte Stadt oben auf einem Felsen, man muss nicht immer da hoch, schaut auch von unten gut aus. Es gibt aber auch einen unteren, modernen Teil Orvieto Scalo mit dem Bahnhof.
Später das Mittagessen in Orvieto
Nun habe ich ein kleines Hupperle mit dem Zug nach Arezzo gemacht, um in den nächsten drei Tagen das Chianti-Land zu erobern.

Montag, Juni 19, 2017

Luther kann mir gestohlen bleiben

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"Agriturismo"
Die Idee mit “Luther nachgereist” ist in der Sonne Italiens wie Butter zerschmolzen. Ich suche mir meinen eigenen Weg, jetzt ist der EuroVelo #7 meine Leitschnur. Die Kriterien für den eigenen Weg sind ausschließlich geomorphologischer Art, das heißt, keine Berge! Ich radele den Tiber aufwärts. Es ist gegen 10 Uhr morgens. Die schöne Italienerin schaut mir tief in die Augen und sagt: “Benzina per la bicicletta?” “Si, signora.” Sie zapft mir ein birra grande aus der Flasche.
Orte
Die alten Ortskerne befinden sich nicht im Tal des Tiber, dort ist nur die Autobahn, die ferrovia Firenze - Roma Direttissima und ein wenig Industrie. Man muss schon hoch schieben wie nach Orlamünde, um den befestigten Ortskern von Orte besuchen zu können. Das und ein Mittagessen habe ich mir dort oben gegönnt. Es gibt im Ort etliche Verkehrsschilder, die darauf aufmerksam machen, dass die Gassen kleiner als 2m breit sind. Trotzig fährt der Italiener und die Italienerin auch mit SUV’s in solche Gassen rein. Die Gassen sind natürlich Einbahnstraßen. Welches System dahinter steckt, kann ich nicht erkennen. Ich schwöre es, einmal kam ich an eine Abzweigung, da waren alle Richtungen gesperrt. So ein befestigter Ortskern bietet nicht viel Platz für heutige Anforderungen. Damals in der hochgelobten Renaissance war das hier eine äußerst kriegerische Zeit. Man kannte keine Italiener, sondern nur Bürger von Rom, Florenz oder Orte. Die großen Familien der Borgia oder der Medici zankten sich ständig, der Bürger war auf einen befestigten Platz zum Wohnen angewiesen. Den ließ er dann von den gerade angesagten Familien verteidigen, wodurch er wieder drin war im Zwist. Ein Teufelskreis! Wasser erhielten die befestigten Ort über Aquädukte wie im alten Rom, gestern in Nepi schön zu sehen. Das war dann im Verteidigungsfall die Achillesferse.
Mit dem Leitfaden EuroVelo #7 habe ich mir heute nachmittag was eingebrockt. Der Track führte in Privatgelände auf nicht zu pedalierende Pfade und endete an einem verschlossenen Tor. Ich musste einen mit Dornengestrüpp verzierten Steinwall überwinden, um auf die öffentliche Straße zu kommen. Ich bin dann doch hoch in das befestigte Dorf Penna in Tevarina geklettert. So eine Privatwildnis macht durstig.
Ich mischte mich unter die Alten des Dorfes.

Sonntag, Juni 18, 2017

Die erste Etappe, sehr schwer

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Für die erste Etappe auf dem Rad habe ich mir den Wecker auf 04 Uhr 50 gestellt und als er schellte, gleich noch eine Stunde weiter. Aber auf so einer Tour gibt es schon ein paar Pflichtaufgaben. Die Römer hatten schon ihren Sommer gehabt, das Gras ist vollständig strohgelb, und dieser Sommer scheint anzuhalten. Es ist also ratsam zeitig loszufahren, wenig Verkehr, noch Schatten hier&da. In den Schlafsäcken und Wurfzelten rund um die piazza san pietro ruckelten sich auch die ersten Lebenskünstler wach. Ich konnte in aller Ruhe ein paar Pflichtaufnahnmen von St. Peter und der Engelsburg (“Hier war ich auch!”) schießen.
Der Petersdom
Die Engelsburg: Einst ein Mausoleum für Hadrian, von den Goten zum Kastell umgebaut
Als Leitfaden hatte ich mir einen GPX-Track nach Viterbo über optimistische 88 km herausgesucht. Das ist besonders wichtig, um aus dieser unfassbar engen Stadt rauszukommen. Auf der Ausfallstraße waren dann auch einige Radler mit dabei, alle auf teuren Rennrädern, aber immer freundlich und aufmunternd grüßend. Das war auch nötig bei mir, was habe ich mir bei der Tourplanung nur gedacht? Es fällt mir wirklich sehr schwer. Es ist eine hüglige Landschaft, alles eingemauertes und eingezäuntes Eigentum. Kein Platz für ein Nickerchen, wenn man sich nicht mit dem Straßengraben wie die Überlebenden aus Afrika zufrieden geben möchte. Gute und verhältnismäßig günstige Logistik findet sich. In Campagnano di Roma war ich zu Gast bei Herrn Rigghetto. Da noch nicht die italienische Essenszeit heran war, setzte er mich erstmal in die benachbarte Bar (gehört wohl ihm auch) und bestellte mir ein großes kühles Bier Peroni. Dann ludt er mich in seine trattoria antico. Die Bestellung mit einem bruschetto fantasia und der Spezialität des Hauses Rigatoni alla Righetto (seine spezielle Zubereitung von Rigatoni) fand seine Zustimmung. Dazu einen halben Liter Hauswein, ein Roter. Signor Rigghetto war noch vom alten Schlag, er servierte mir eine handgeschriebene Rechnung zu 21€, die er auf 20€ abrundete. Meine Hochachtung dokumentierte ich mit einem Bild des maestro.
Ristorante Hotel Da Righetto
Die Preise für den Kraftstoff des Radlers sind gefallen, in Mazzano Romano kostete das grande Peroni (0,66 l) nur noch zwei Euro in einer Bar.
In Nepi dann ein großes Ereignis, ein Stadtfest, vergleichbar wie man es aus Siena kennt. An den Häusern hängen die Familienflaggen. Aus allen Gassen kommen die Familien hinter ihren Wappen in Renaissancekostümen zu Trommelschlägen marschiert.
Die Familie der Pugliesi
Als letztes kommt die katalanische Familie Borgia aus ihrer Burg. Auf dem Platz vor dem Rathaus nehmen alle Platz, im Mittelpunkt Lukrezia di Borgia.
Die Borgia

Die Flaggen werden in einer beeindruckenden Choreografie durch die Luft gewirbelt und geworfen. Grandios! Ich bin noch bis Civita Castellana gekommen, so um die 60 km geschafft, in das alte gediegene Hotel “Relais Falisco” eingemietet.
Piazza in Civita Castellana

Samstag, Juni 17, 2017

Ebbo in Roma

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Einige Statuen, denen wohl einst die Barbaren die Köpfe abgeschlugen, sah ich schon gestern bei meinem kleinen Ausflug in den Park der villa pamphili. Die villa liegt an der via aurelia antica. Es war damals wirklich teuer ein Bildnis seiner selbst zu haben. Heute hilft Dir der Neger vor dem Kolosseum mit einem selfie stick aus. 
Depp mit Zepter vor dem Kolosseum
Einen Typen habe ich an fünf verschieden Standorten beobachtet, immer mit dem Rücken zu seinem Motiv und mit dem "Deppenzepter" sein Antlitz in das antike Kolosseum dirigierend. Ich bin im antiken Rom unterwegs.
Mit der Anfahrt durch den Park der villa pamphili landete ich am Tiber in Richtung Ostia. Vor der Kirche Sankt Paul vor den Mauern grasten am Tiber die schwarzen Wasserbüffel. 
So sah es hier wohl schon vor tausend Jahren aus
Die Kirche ist beeindruckend. Wikipedia sagt, dass es eine der Papstbasiliken von Rom sei. Seit dem Abschluss der Lateranverträge ist sie eine exterritoriale Besitzung des Heiligen Stuhls und eine der sieben Pilgerkirchen von Rom. Das antike Rom erreichte ich dann wie die Amerikaner durch die Porta Ostiensis. “Sie brachen die Tore von Rom” 1944, möglicherweise klingt das besser als des Flaggesetzen auf dem Reichstag. 
Die Aurelianische Mauer an der Porta San Paolo:
Die Pyramide des Caius Cestius wurde in die Mauer einbezogen
Nahe bei der Porta San Paolo, wie die Porta Ostensis heute genannt wird, steht die Cestius-Pyramide. Mein erster Eindruck, das ist was Neumodisches. Aber es war mal Mode im alten Rom. Es ist ist das pyramidenförmige Grabmal des römischen Prätors und Volkstribuns Gaius Cestius Epulo. Die Pyramide entstand zwischen 18 und 12 v. Chr. Sie wurde als Ziegelbauwerk ausgeführt und mit Travertin- und Marmorplatten verkleidet. Außer dieser Pyramide ist vom Volkstribun nichts bekannt - Ziel erreicht! Ob die Selfies des Typen am Kolosseum diese Zeit überdauern?
Konstantinsbogen am Kolosseum

Freitag, Juni 16, 2017

Bin ich jetzt getauft?

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Für die Anreise nach Rom habe ich mir drei Tage genommen: Erster Tag nach München. Die Maß im Englischen Garten 7,90 €. Zum Dürnbräu: Die Halbe Franziskaner Kellerbräu zu 5,20 €. Keiner an den Nachbartischen spricht bayrisch. Eben war der “Kumpel” vom Wirt auf seiner Kawasaki da, er trank einen Russen, bezahlt hat er nicht. Vorne steht: Ask for russian menue! Zweiter Tag nach Bologna mit einem österreichischen EC mit Fahrradtransport, und heute mit dem tren regionale nach Rom, der nimmt Fahrräder in einem extra Abteil mit. Es ist ein neue Welt für mich, dieses Italien.
Die Kuppel der Kirche San Pietro, bei uns auch Petersdom genannt
Ich habe Angst, ich bin misstrauisch, es kann kostspielig werden, die Gepflogenheiten zu erforschen. Zum Start eines jeden Kaufprozesses eines Eisenbahntickets am Automaten erhält man eine Einweisung zur Vorsicht vor Taschendieben und sonderbaren Helfern bei der Buchung. "Für Fragen wenden Sie sich immer an die uniformierten Angestellten des Bahnhofs!" mahnt die Stimme in der gewählten Automatensprache. Mir "hilft" eine rumänische Zigeunerin. Immer wenn ich eine Zehntelsekunde zu langsam den Automatendialog nicht fortsetze, touched sie auf den Bildschirm, immer korrekt, damit ich es hinkriege. Ich werde laut, ein Uniformierter weist sie fort, zwei Meter, dann ist die "Hilfe" wieder da. Mein erstes Bier in Bologna kostet nur 3 €, es ist eine 0,66 l Flasche. Es gibt dazu Kartoffelcracker als mezes. Der Tischnachbar rät mir, mein Fahrrad anzuschließen. Nachdem ich mein Hotel draußen gefunden habe, fahre ich nochmals in die Stadt hinein. In einem Vorstadtviertel besuche ich eine trattoria, die Einheimischen essen hier alle Broiler mit Pommes frites, nicht gerade originale​. Der Laden hat aber auch ein interessantes Buffet. Ich wähle einen Kartoffelsalat mit calamari, dazu Rollmopps aus Sardellen mit roten, scharfen Krümel eingerollt, dazu zwei Vino bianco bin ich bei 15 €.
Wenn Du Mitte Juni am Roma Termini aus dem tren regionale aussteigst, erschlägt Dich eine Dämmse, und Du weißt, jetzt musst Du Dich mit Millionen Touristen und italienischen Scootern durch die Gassen von Rom und diese Dämmse kämpfen. Der Akku meines Handy als mein Wegweiser war noch halb voll am Bahnhof. Die Schilder der Straßennamen sind noch von den alten Römern in die Fassaden der Häuser eingelassen. Ich brauchte an praktisch jeder Kreuzung eine Minute, um mich zu orientieren. Das war schlimmer als im Stara Planina. Natürlich gibt es viele trattorias, Pizzerias und Bars, besetzt mit Touristen. Ich bin sicher, der Römer an sich identifiziert mich auch sofort als Solchen. Ich habe Angst vor Touristenfallen und Abzocke. Ich muss erst noch Italien und die Italiener begreifen lernen, also weiter …
Engelsburg und Vatikanstadt
Endlich erreiche ich den Tiber an der Engelsburg. Der Blick ist nicht mehr durch die engen Gassen beschränkt. Bald habe ich auch den nächsten Länderpunkt abgehakt, Vatikanstadt. Dort ist ein Brunnen, ich stecke meinen Kopf drunter, ich bin wieder glücklich. Bin ich jetzt getauft? Der Zugang zur Vatikanstadt wird durch die italienischen Elitesoldaten mit der Feder am Käppi bewacht.  In den Nebenstraßen um den Vatikan, die der Radler nutzen sollte, sehe ich überall die Schlafstellen der Überlebenden der Mittelmeerpassage aus Afrika. Der Vatikan hat auch einen Bahnanschluss, verrammelt mit einem großen Tor. Es ist nicht mehr weit zu meinem AirBnB bei Stefano. Aus der Bar “Grecco” melde ich mich bei ihm per SMS. Das Handy muss ich aber zuvor erst einmal aufladen. Er erkennt sofort den einzigsten Touristen, “Eberhard!” Es ist ein herzlicher Empfang wie unter Freunden. Seine Wohnung mit meinem Zimmer ist gleich um die Ecke. Ich bin angekommen.
Abendlicher Ausflug in den Park der Villa Doria Pamphili
Hier in Rom auf einem der mehr als sieben Hügel bin ich an einem Kiosk wie bei Elfi. Die mezes hier zum Bier zu 5 € sind verschiedene Pizzareste als fingerfood, köstlich.

Sonntag, Mai 28, 2017

Wanderung im Alten Gebirge

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weitere Mitreisende: Der Abt, Manne, Ralf
An&Abreise mit Bus von Dresden nach Niš, weiter mit lokalem Bus nach Pirot
9 Tage (19. bis 27. Mai 2017) in Serbien
Wechselkurs gerundet:
1€ = 125 Dinar
8€ = 1000 Dinar


Die Wegfindung ist nicht einfach hier. Wir wollen wieder runter von der Straße. Ralf ist sich sicher, den hier ausnahmsweise mal ausgezeichneten Weg können wir nehmen. Nach dem Wegweiser soll der Weg zum Ziegen-Felsen “Kozja Kamen” führen, nach ein paar hundert Metern soll ein Weg rechts abzweigen, das sei unser Weg zum Canon Vladikine Ploče. Er will noch den Abstecher auf den Ziegen-Felsen gehen. Der Ziegenfelsen ist der Kulminationspunkt dieses markanten Grates südlich vom Stausee Zavojsko jezero. Man hat dort eine fantastische Aussicht auf den See vor dem Hauptkamm des Alten Gebirges Stara Planina.
Das Stara Planina wird bei uns oft als Balkangebirge bezeichnet. Es ist die Kordillere des östlichen Balkans und zieht sich als Teil des Carpatho-Balkan-Bogens vom Eisernen Tor der Donau bis zum Kap Emine am Schwarzen Meer über 600 km von West nach Ost. Vier Freunde haben sich den serbischen Abschnitt bei Pirot für eine kleine Wanderung ausgesucht. Warum? Exklusivität, Wildnis und schmale Reisekasse.
Die mittelalterliche Burg "Momtschilow Grad“
Die Festung wird in einem Volkslied als Burg des Vojvoden Momčilo besungen.

Der Bus nach Niš via Belgrad hat in Dresden fast drei Stunden Verspätung. Wir erreichen Pirot erst nach 16 Uhr am folgenden Tag. Ich habe statt Proviant nur eine Einkaufsliste in meinem Rucksackschweinebraten:
  • Espresso-Puder
  • Zucker
  • Knoblauchzehen
  • Nudeln
  • VEGETA als Universalgewürz
  • Wasser Mg+
  • & Spezialitäten
Auf dem Markt und in den kleinen Geschäften werden fast nur Landesprodukte angeboten. Knoblauch wird noch nicht geerntet, ich muss also darauf verzichten. VEGETA kommt aus Kroatien, zum Glück habe ich eine kleine Menge Swanensalz, eine Gewürzmischung aus Georgien, mitgebracht. In einer Mesara (Fleischerei) gibt es dann die Spezialitäten: Kashkaval, ein verdammt würziger Hartkäse, Slanina, einen schönen Schinkenspeck und “gebügelte Wurst”. Nun, unsere Würste waren wohl nicht gebügelt, aber herzhaft und lecker. Um bei uns alten Männern den Krämpfen in der Nacht vorzubeugen, kaufe ich das große serbische Mineralwasser “Knjaz Miloš”. Es ist reich an Mineralien, besonders Magnesium.
Wir bauen dann im Lichte einer gegenüber dem Bach Dobrodolska liegenden Werkstatt unsere Zelte auf einem kleinen gemähten Fleck. Gert warnt: “Da hinten ist eine Zigeunersiedlung!”

Im Morgenlicht erkennen wir keine Zigeunersiedlung, es ist das Projekt eines mitten in der Stadt einsiedelnden Künstlers in Form eines beeindruckenden Baumhauses. Er lädt uns freundlich ein, seine Installation zu besuchen. Ich traue der Konstruktion nicht, keiner von uns war oben.
Das Ziel der heutigen Etappe ist die Erforschung der Schlucht des Baches Dobrodolska. Es soll ein kleines Becken mit Thermalquelle geben, die Dag Banjica. Auf dem Weg begeistert uns die mannigfaltige Flora und Insektenfauna.
An der Banjica werden wir gleich mit guten Ratschlägen für unsere Gesundheit und unserer Haut empfangen. 40 verschiedene Mineralien in der konstant 29 ºC warmen Quelle sollen für mehr als 40 verschiedene Zipperlein gut sein. Einer ist an Krücken hier, 5mal gebrochenes Bein, er nimmt die Krücken aber nach dem Bad sicherheitshalber wieder mit. Weiter ist die Schlucht als Wanderer mit Rucksack nicht begehbar.
Wir treffen noch drei Mädels. Nach kurzer Kommunikation zum Woher&Wohin freut sich die eine darüber, dass sie mal wieder deutsch reden kann. Es stellt sich heraus, es sind zwei österreichische Polizistinnen mit ihrer serbischen Kollegin auf Wochenendausflug. Sie seien hier in Pirot “auf Mission”. Gert fragt gleich mit dem Hinweis auf die Flüchtlinge nach dem Ziel der Mission. Es hätte schon “Sichtungen” gegeben, oben auf dem Kamm des Stara Planina, Grenze zum EU-Bulgarien.
Wir steigen aus der Schlucht auf zur Straße, die zum Stausee Zavojsko jezero führt. Dann zweigen wir ab auf den Weg nach Dobri Do. Dieses Dorf ist fast vollständig verlassen, es soll nur noch 15 Einwohner geben. Neben der ehemaligen Schule finden wir einen Platz zum Zelten mit Wasseranschluss gegenüber in einem Hof. Der Besitzer kommt wohl noch immer mal vorbei, der Stromzähler ist noch angeschlossen und die Wasserleitung eben auch. Bald heißt uns ein alter Mann als Einwohner des Dorfes willkommen. Er bietet einen viertel Liter Rakija auf Basis der Pflaume an. Er bestärkt uns in unserer Idee am nächsten Tag zum Planinarski Dom aufzubrechen, dorthin gibt es einen Weg. Nur die Entfernungsangaben sind unzuverlässig, zwischen 3 … und 7 km.

Josip, der Hirte
Es waren mehr als 10 km bis zum Planinarski Dom. Wir laufen durch das “gute Tal” Dobri dol, früher wohl eine reiche Hirtengegend. Wir landen bei der Wegsuche auf dem Hof des letzten Einzelbauers dieser Gegend. Erst versteckt er sich vor uns, er zieht sich wohl was Frisches über. Dann guckt er nach uns, was wir auf seinem Hof machen. Freundlich weist er uns den Weg wieder raus aus seinem Gelände und außen drum herum. Ich schätze ihn auf ca. vierzig Jahre. Indizien für eine Frau auf dem Hof haben wir nicht entdecken können.

Nun sind wir auf dem Weg zum zweiten Ziel unserer Wanderung, der Vladikine Ploče. Das ist ein Canon des Flusses Visonica mit einer Höhle. Die Wegfindung ist nicht einfach hier. Es gibt immer mal ein paar verwitterte rote Punkte mit einem weißen Ring drum herum an Bäumen. Problematisch sind die verwilderten Weideflächen, kniehohes nasses Gras, der Weg nicht zu erkennen. Die verlassenen Häuser, Scheunen und Höfe sind großflächig mit Brennnesseln umwachsen. Unsere gute Zigeunerin aus Berlin im Bus müsste jetzt da sein, sie hatte sich uns als Köchin angeboten. Sie würde gut Brennnesselsuppe kochen können. Während einer Pause trifft auch wieder Ralf auf uns von seinem Abstecher auf den Ziegenfelsen. 
Er bringt uns auch unseren Freund zurück. Es begleitet uns seit dem Planinarski Dom ein dackelartiger Hund mit einem blauen Registrierungschip im linken Ohr. Unten am Fluss Visonica müssen wir einen kräftigen Regenschauer unter einer alten Weide abwettern. Das Wetter wendet sich, es ist der statistisch regenreichste Monat im Jahr. Wir finden einen schönen Platz zum Zelten am Fluss und brechen nach dem Aufbau des Lagers mit unserem Hund zur Erkundung der Ploče auf. Ein anfangs markierter Pfad führt uns in ein Dickicht eines Regenwaldes der gemäßigten Breiten. Die Bäumchen sind mit Moos und Flechten überwuchert, in den Lichtlöchern im Blätterdach stehen halbmeter hoch die Knabenkräuter.
Unser Freund, der dackelartige Hund, ist für einen Streuner sehr gut erzogen. Als wir auf dem Boden unsere Spezialitäten zum Abendbrot ausbreiten, unseren Speck, Wurst und Käse, nimmt er aufmerksam in gebührenden Abstand Platz und schnappt sich dankbar jeden Bissen, der für ihn bestimmt ist.

Wie schon gestern beobachtet, das Wetter ist umgeschlagen, es regnet stärker und häufiger. Wir wandern zum Dorf Rsovci. Wir werden von dort umsetzen hoch ins Gebirge nach Topli Do. Es stellt sich aber heraus, dass heute nur noch gegen Abend ein Bus nach Pirot fährt. Die Leute vor dem Dorfkonsum raten uns zu einem Taxi. Wir warten jedoch unter dem Vordach des Ladens auf den Bus.
In der Nähe des Dorfes gibt es eine Höhlenkirche aus dem 14. Jhdt., gewidmet Peter & Paul. Einer macht uns darauf aufmerksam, dass wir einen Schlüssel brauchen und zeigt uns das Haus des Kichenbeschließers. Wir erhalten den Schlüssel und können das Kirchlein besuchen. Erst Wladimir macht uns auf der Tafel gegenüber unseres Ladens die wirkliche Besonderheit dieser Kirche aufmerksam, ein Jesus-Bild mit einem Stern im Hintergrund. Er sagt wörtlich - ein Davidstern. Der serbische Jounalist Dragan Bosnić (Amazing Serbia) schreibt: “In der Höhlenkapelle beten die Gläubigen unter einem Fresko mit einem Bild eines jungen kahlköpfigen Jesus, der von einem örtlichen Maler ohne Haare dargestellt wird. Kahlkopf Jesus wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an der Nordwand der Kirche gemalt. Er wird in buddhistischen Roben in der achteckigen Mandorla gezeigt, oder in dem Stern, der das größere Wunder ist.” In der englischen Wikipedia steht: “Es wird vermutet, dass dieser kahlköpfige Jesus hier nur gemalt worden sein konnte, weil der Ort nicht unter "bischöfliche Zensur" leidet. Es wird von einigen geglaubt, dass das Bild des jungen Jesus von einem Maler oder einer Gruppe von Malern gemalt wurde, die von den verschiedenen Richtungen des Christentums beeinflusst wurden. Erst nach Bosnićs Foto konnte man sehen, daß er ein junger Mann war, mit molligen Wangen, blauen Augen und einem Heiligenschein, der seine Göttlichkeit anzeigte. Es ist deutlich zu sehen, dass Jesus eine nackte Brust und unbedeckte Arme als Folge des Umhangs hat, den er trägt. Er trägt kein Kreuz in seinen Händen, sondern hebt drei seiner Finger als ein Symbol der Taufe.”
Wladimir ist schon viel in der Welt herum gekommen. Er arbeitete in München und in der Schweiz.  Er zeigt uns seine Driving License Card aus Texas. Er schimpft aber wie ein Rohrspatz auf die Amerikanzy. Er war dort im Gefängnis und darf nicht mehr einreisen. Er ist jetzt wieder zurück in seinem Heimatdorf ganz zufrieden, er  macht in Holz und sei sein eigener Gott - “I am my own god.”
Wir lernen noch viele aus dem Dorf mit ihrer Lebensgeschichte kennen. Einer kommt in einer serbischen Offiziershose und behauptet bei den Partisanen gewesen zu sein. Er ist der Einzigste, den wir auf der Wanderung treffen, der sich freut, dass wir aus Ostdeutschland - Istočna Nemačka - kommen.
Unser Bus kommt, vor dreißig Jahren in der Schmiede von FAP in Lizenz von Daimler gebaut und proppe voll. Wir müssen die eine Stunde für die 25 km bis Pirot stehen.

Unsere Zelte standen wieder beim Künstler. Wir finden einen Taxifahrer, der uns für korrektes Geld mit seinem Opel Astra 1 Kombi hoch nach Topli Do fahren wird. Während der Fahrt durch den Kanjon Temštice beteuert er immer wieder das Risiko, diese schmale Straße zu nutzen. In der Tat liegen immer wieder mehr oder weniger große Brocken, vom Regen auf die Straße gespült, herum. Er erzählt uns, dass die Amis das Kraftwerk im Berg, dass vom Stausee Zavojsko jezero angetrieben wird, nicht während der Bombardements 1999 zerstören konnten. Wir lassen uns von ihm seine Telefonnummer geben, um die Rückfahrt sicher zu stellen.
Hurra, hier in Topli Do gibt es Lädchen. Es stellt sich aber heraus, nur alle zwei Tage geöffnet. Auch dieses Dorf wird aussterben. Die jungen Leute arbeiten alle unten im großen modernen Reifenwerk TIGAR von Michelin, die fahren diese gefährliche Straße nicht jeden Tag zur Arbeit, sie wohnen nun in Pirot.
Gert lässt sich eine Unterkunft zeigen. Zurück erzählt er ganz geheimnisvoll, wir werden im Museum schlafen. Wir mieten uns für zwei Nächte in diese spektakuläre Unterkunft für schmale 800 Dinar pro Nacht & Nase ein.

Unser größter Bergsteiger wird heute zum höchsten Punkt Serbiens, dem Berg Midžor aufbrechen. Manne und ich werden einen Spaziergang in das Tal der Wasserfälle machen und Gert mit seinem schlimmen Fuß wird das Haus hüten.
Früh bekommen wir Besuch von einem Mann, der uns zum Frühstück einlädt. Manne und ich gehen mit zu einem Häuschen am unteren Ende des Dorfes. Stolz zeigt er uns, alles selbst gebaut, Haus und den fast genauso große Backofen. Unten in die Küche hinein brauchen wir unsere Wanderschuhe nicht auszuziehen, oben wird uns bedeutet müsste das dann aber sein. Wir bleiben in der kleinen Küche, ca 4x4 Meter, im Erdgeschoss. Er stellt uns seine Frau vor, sie käme nicht los von der Zigarette. Dann gibt es erstmal eine Runde vom Selbstgebrannten. Wir dürfen die Spezereien alle verkosten: Ein würziges EiRührtEuch mit frischen Pilzen (!), einen sehr würzigen frisch gebackenen Kuchen (Proja - ein Maisbrot, wahlweise mit Schafskäse) und weitere Köstlichkeiten. Wir kriegen reichlich eingepackt, der Mann will kein Geld annehmen. Ich gebe der Frau den 500 Dinar-Schein. Es wird ein reichhaltiges und schmackhaftes Frühstück für uns alle. Damit sind wir gestärkt für unsere heutigen Unternehmen.
Rätselhaft sind die die Steinkreuze, die wir schon an anderen Stellen mitten in der Flur gesehen haben. Die Leute in Topli Do sprachen was von Heiligen Erzengel Kreuzen: "свети арханђео крстови".

Heute ist der letzte Tag. Der Hauswart unseres Appartements kriegt von uns die Nummer unseres Taxifahrers, er soll uns gegen 14 Uhr wieder zurück nach Pirot fahren. Wir starten nochmal zu einem kleinen Spaziergang, Gert hütet wieder das Haus.
Der Astra ist auf die Minute um 14 Uhr da. Zum Übernachten gehen wir nicht wieder zum Künstler, heute ins Hotel. Da können wir uns für die 19-stündige Heimfahrt frisch machen.