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Sonntag, Juni 26, 2011

In Odessa

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23.6.11 Transnistrien II
Das mit dem Schalke-Fan nach Tiraspol fahren, jetzt wo sie in der Euro-League die aufstrebende Fußballprovinz abtingeln dürfen, muss ich wohl echt verwirklichen. Ich habe nämlich Freunde gefunde, echte Freunde, dorogije druzja. Und das kam so. Ausgangs von Tiraspol gab es noch eine schöne Gartenkneipe mit der liebreizenden Ira. Der folgende Weg bis zur Grenze ist eine fast schnurgerade an sich locker zu pedalierende Straße, verkehrsarm. Aber es ist eben auch ein gar durstiger Anblick so eine von der Sonne verwöhnte Straße bis zum Horizont. Also nutzt der Radler mal eine Abzweigung, deren Hinweisschild anfangs für mich keinen Sinn ergab.
Meine Freunde
Ich landete an einer soldatskaja stolowaja, Mensa für Soldaten. Um die Ecke wies ein ungelenkes Schild auf ein magasin hin. Dort fragte ich nach Kwas und kriegte eine 1,5 l-Flasche, leidlich kalt. Die Geschäftsfrau bereitet gerade ein paar Teller mit blinies, Huhn, diverse Salate u.ä. für eine kleine Feier vor. Mein Nachfragen nach den blinies löste die Aufforderung zum Zugreifen aus. Ein junger Kerl fragte, ob wir zusammen Einen trinken und schwups war ich Teil der Feier. Komischerweise erregte ich besonders die Aufmerksamkeit der Mädels und Frauen.
Es wurde ein schönes Fest. Auf meine Frage "Was ist der Grund der Feier?" antwortete Taras, der Mann meiner liebsten Freundin aus der Runde: "Jest djengie, es gab Geld." Der Wein der mächtigsten Mutter hat mir heute vormittag auf dem Weg nach Odesa den Durst gelöscht und die Birne weich gemacht. Nun gilt es den guten Freunden die Bilder zu bringen, auf geht's Schalke.
PS zu den transnistrischen Grenzern: Sie wurden ihrem Ruf noch gerecht. Nachdem mein Pass am beeindruckenden Grenzübergang in Perwomaiskje durch viele Hände mit angemessener Wartezeit gegangen ist, wurde ich in eine Ecke gewiesen, der Chef hätte mir noch was zusagen. Der kam, wies mir einen Platz auf einem lehnenlosen Bürostuhl an, zeigte auf seinen Kollegen und fragte, ob ich denn nicht ein podarok, ein Geschenk für den Chef hätte. Die Schulterstücken der Beiden machten nicht viel her, deshalb bot ich ihnen vom guten transnistrischen Wein an. Da gaben sie mir meinen Pass und wünschten guten Weg. An der ukrainischen Grenze wurde ich dann von einem Typen, der in Großenhain geboren ist, durchgewunken. Da stand die Sonne schon sehr tief.

24.6.11 Ziel erreicht: Odessa
Es ist zwar friday night und die bekannte vom Laptop playbackte Lifemusik läuft schon. Hier in einer Karpatenkoliba ist es ein singendes Paar. Für mich wird es aber nicht lange gehen, ich bin müde.
Meine Bofe letzte Nacht war etwas missglückt. Beim Zelt aufbauen knackte ein Teil des Gestänges wie Glas, aber der Art, dass es selbst mit einer Rep-Hülse nicht zu richten ist. Wegen der Mücken habe ich mich trotzdem ins Zelt gelegt, wie in einen Schlafsack. Nach zwei guten Schlafsessions bin ich dann im frühesten Morgengrauen auf die Piste gegangen, meiner Lichtanlage sei dank.
Eingang Odessa
Erst in Odessa wurde es dann mit dem Verkehr eng. Die fahren hier noch nach Faustrecht, mit viel Hupe. Aber einige kleine Scharmützel habe ich mir gegönnt. Nach einem großartigen Mittagessen in einem Keller musste ich mir nun mein Hotel suchen. Ich habe via HRS in Orhei aus einem Internetcafé heraus bereits gebucht. Mit einheimischer Hilfe finde ich eine Stelle, wo es einen gescheiten Stadtplan zu kaufen gibt. Mit dessen Hife die Gegend, doch das Gebäude trotz benannter Hausnummer zu finden, eine Katastrophe. Erster Versuch: Ich lande in einer gated area. Zweiter Versuch: Ich lande in einer Schönheitsklinik. Die gucken tatsächlich in ihrer Lobby, ob ich eine Reservierung habe. Die hinzugerufene Chefin (oh Mann, sieht die teuer aus, aber nett und freundlich) kann mir dann wirklich helfen und zeigt mir das Gebäude. Ich kann meine komplette Dreckwäsche hier im Hotel zum Waschen abgeben, damit sind die Aufgaben des Tages gelöst. Ich erkunde nun nur noch die nähere Umgebung im Süden Odessas, weit zum Strand ist es nicht.
Friday Night in Odessa: Das sind auch solche Sternchen am Nachbartisch. Mein T-Shirt ist unten rum länger und oben rum viel höher geschlossen als deren himmelblaues Kleidchen.

Denkmal "Den Gründern von Odessa"
25.6.11 Die Gründung der Katerina
Wenn ich alles gestern Abend im Fernsehen verstanden habe, hat ein wissenschaftlich aussehender Talkgast bestritten, dass es eine eigene odessitische Sprache gebe. Aber diese Stadt unterscheidet sich dann doch von den anderen zugegeben wenigen Orten, die ich in der Ukraine kennenlernen durfte. Heute Morgen gegen 8 Uhr: Beachtlich viele Leute sind auf dem Radweg oberhalb der Küste unterwegs. Allen Alters und derer unterschiedlichen sportlichen Betätigungen: Eine mittelalterliche Gruppe macht Yoga, an diversen Sportwiesen üben Einzelkämpfer am Reck und Barren, praktisch alle Radler überhohlen mich und an den Anstiegen sogar die zahlreichen Jogger. Die Stadt ist von schönen Menschen bevölkert. Ich begründe hier mal eine These: Rio und eben auch Odessa zeigen, dass in Städten mit Stränden die Körperkultur, ja der Körperkult blüht.
Mein Quartier liegt tief im Süden, es sind ca. 7 km bis zur berühmten Treppe, dem Hafen und dem Zentrum. Es ist angenehm gelassen in den schattigen Straßen. Ich finde einen Friseur und tue etwas für meinen Körper. Alle Haare rund um den Kopf ordentlich getrimmt kostet umgerechnet 5 Euro. Dann bin ich durch Stadt und deren Hinterhöfe geturnt.
Bierschule
Zum Beispiel fand ich eine Schule des Bieres, dort konnte ich ein Honigbier kosten. Ich lernte in dieser Schule nicht dessen Alkoholgehalt, aber ich kann mir dieses Getränk auch unterwegs als interessante Durstlöscheralternative zum Kwas vorstellen. Nun gönne ich mir gerade meinen Zielwein, einen 2009er Zinandali. Dass das nicht umkreist von Lämmergeiern in Dartlo, sondern im "Kängeruh" bei Diskomusik geschieht, passt scho'. Ich konnte mir nämlich heute eine sehr ordentliche Karte vom obl. Odessa kaufen (1:150.000), wo der weitere Weg ins Donaudelta gut auf Nebenstraßen vorgezeichnet ist. Aber morgen werde ich nochmal durch Odessa cruisen. Vielleicht auch mal baden?
Ein Bild muss ich jetzt noch ausbreiten: Es regnet wie'd Sau im Kängeruh, einem Gartenrestaurant mit vielen Plätzen in Pavillons und Zelten. Die Musik ist laut und romatisch. Mir gegenüber tanzt ein Paar in seinem Zelt. Ich habe gespeist und brauche nur noch ein Mintblättchen.
Viele Grüße von unterwegs
Eberhard Elsner

Donnerstag, Juni 23, 2011

Neue Länder abgehakt

1 Kommentare
Pedalieren über ruhige breite Straßen
20.6.11 Pedalieren
Der Morgen zeigte sich wieder von der besten Seite, glockenklares Himmelsblau garniert mit ein paar Fotowolken. Die Strecke, ohne den freundlichen Moldawiern nahe zu treten, und wohl auch das ganze Land bieten keine wirklichen Sehenswürdigkeiten. Es ist ein großer fruchtbarer Garten, hügelig. Die Dörfer liegen alle an einem Südhang eines der kleinen Tälchen. Meist ist ein Stausee dabei, damit die fruchtbare Erde stets bewässert werden kann. So kann man auf der verkehsarmen Hauptstraße mit drei Fahrstreifen locker pedalieren. Ich hätte viel mehr LKW-Verkehr erwartet, schließlich ist das die einzigste Verbindung in den Norden. In Balti hat mich wieder starker Regen in ein Hotel getrieben, danke.

Typische Raststätte an der Straße
21.6.11 Sich einen raufhohlen
Einen Eimer frisches Brunnenwasser ist die Essenz einer jeden Raststätte, auch in the middle of nowhere. Der Grundwasserspiegel ist nur ein paar Meter unten. Das macht zusammen mit der Schwarzerde die Fruchtbarkeit von Moldova aus. Und da es keine weiteren Sehenswürdigkeiten gibt, wird eben der Geschmackssinn angesprochen, der bekanntlich bei mir ein große Bedeutung hat. Es gibt diverse Weine. Doch wo ich an der Straße gekostet habe, waren die entsprechend dem russischen Geschmack mir zu süß. Das Obst, besonders die Kirschen, sind Spitze und eine Labung bei der heutigen Etappe nach Orhei. Denn es sticht bei leichter Brise der Planet. An der Straße gibt es einige richtige Gasthäuser, jedes Dritte hat aber meist schon den Geschäftsbetrieb eingestellt. Dort kochen die Matkas mit lustigen Kopftüchern noch richtige Hausmannskost. Bei mir gab es heute ciorba de vacute (Rindfleichsuppe) und Kiftel... moldovanesc (Fleichbällchen mit Kartoffelbrei), großartig. Und ... wichtig wegen des Dursts, es gibt auch Kwas. Zum Mittag heute sogar mal aus der Flasche.

Luxusrad und Luxusmobile vor dem "Gük Oguz"
22.6.11 Die Hauptstadt
Sobald ich in die Nähe der Hauptstadt komme, werden die wirklich gastlichen Stätten des Landes immer mondäner. Nach einigen Kaffees zum Frühstück bin ich nun in der Hauptstadt Chisinau (former Kishinjow, wie ich es bei Herrn Dr. Bruno Weese, der wohl aus der Gegend hier stammte, lernte). Und gleich, noch in der Vorstadtzone der Autowerkstätten und Baumärkte, bemerkte ich das "Gük oguz", das gagausische Küche versprach. Die Gagausen haben hier im Süden von Moldova ihre eigene autonome Republik (damit meine ich nicht Transnistrien, das sind die Russen). Nach dem Studium der Speisekarte sind die Gagausen eine Art Bulgaren mit türkischem Einschlag, das ist aber noch zu recherchieren und die Ergebnisse findet ihr in einem Kommentar unten. Vor der Tür alles große und edle Karossen, weswegen ich mich als Radler über die Aufmerksamkeit des Chefs des Hauses besonders geehrt fühlte. Und es gab auch was Feines:
Der Maitre
Für den Durst ein Tuborg (keine Bange Gert, aus der Ukraine). Als Vorspeise ein Tarator, der Bulgarienkenner genießt es kalt. Intermezzo: Salat, schön mit Dill in der Vinaigrette. Dann ist mein Bier ausgetrunken. Da ich eine Grillspezialität vom Huhn erwarte, bringt mir der Chef einen wohltemperierten Traminer. Das Filet vom Huhn als Roulade gegrillt, wird in einer Sauce mit guter Peperoni-Note getunkt, genossen. Den Abschluss bildet ein türkischer Kaffee mit einer Punschkugel. Das Foto vom Maitre dokumentiert meine vollständige Begeisterung.
Nun bin ich knapp 20 km von Transnistrien entfernt. Ein Kneiper hat mich schon vor dem sprichwörtlich einnehmenden Wesen der transnistrischen Pseudozöllner gewarnt. Aber davon morgen.
Ich schrieb schon einmal, dass die Routenführung immer sehr zwiespältig ist. Zum einen die Infrastruktur, es gibt nicht viele akzeptable Nebenstraßen und dort ist die Versorgung des ewig durstigen Radlers nicht optimal. Denn vom Brunnenwasser können ausschließlich die "lebensbejahenden Asketen" des Waldsassener Zisternsienserorden leben. Auf den Hauptstraßen sieht das schon erheblich besser aus. Doch dort plagen den lebensbejahenden Radler zum einen die lahmen alten SIL, i.d.R. überladen und die Marschrutki, diese an sich soziale Art eines Nahverkehrs. All diese Worte sind nun nur Einleitung für eine Portion Kapitalismuskritik.
Vor ein paar Stunden in Chisinau habe ich in meinem Gesichtskreis bestimmt 100 Mercedes Benz Sprinterbusse als Marschrutki taksi sehen können. Diese Dinger sind für den Radler unberechenbar, immer auf der Jagd nach zahlenden Kunden überholen die dich, um in 3 Metern wegen einer Oma vor dir wieder einzuscheren. Nun, das ist deren Existenz, aber was sich allein da für ein Markt 1990 auftat. Ich schätze, in Chisinau laufen 5000 von den Dingern. Der deutsche Produktivitätsüberschuss macht mir hier auf eine so besondere Art das Leben schwer. Es ist leicht in Deutschland über die Schulden an der Peripherie herzuziehen, wenn man es nicht schafft einen eigenen ausgewogenen Binnenmarkt zu etablieren. Offensichtlich wird der Sprinter hier erschwinglich gemacht. Wie? Mit Krediten.

In Tiraspol
23.6.11 Beim Köstritzer in Tiraspol
Heute morgen das Einreisezeremonium in das Land Transnistrien hinter mich gebracht. Es wird hier eine vergleichbare Bürokratie entwickelt, wie letztes Jahr beim Übergang in Kroczienko. Nur hier sitzt eine niedliche Tanja am Schalter und ich gebe mir von Anfang an Mühe beim Ausfüllen der immigration card. So klappt der Eintritt in den Staat, den ich in einem Tag durchradeln will, problemlos.
Am Eingang von Tiraspol lässt der Chef der Firma "Sheriff" (Geschäfte aller Art vom Supermarkt bis zum Autohaus, "Mercedes Benz"-Generalvertretung) einen Fußballkomplex hochziehen. Ich bekomme ein Führung: 43.000 Leute Arena, dazu ein zweites Stadion, eine Fußballhalle, Akademie für Kids von 7 bis 17, ein 50m-Schwimmstadion und ein 5-Sterne-Hotel, 18 Trainingsplätze. Dazu wird noch ein Aquapark kommen. Hier wird geklotzt. Mein Guide spricht vom Ziel Championsleague, wenn ich an Uriczani denke, werden sie es sicher auch mal haben. Jetzt die Meisterschaft haben sie aber vergeigt. So hat eben jeder seinen Dietmar Hopp.
"Café Eilenburg
Nun sitze ich im "Café Eilenburg" beim Koestritzer Schwarzbier. Das ist im Zentrum, direkt neben den Regierungsgebäuden, wo sich der aktuelle russische Praesident mit dem Hiesigen handschüttelt. Wenigstens Einer der Anerkennung zeugt, aber auch ich werde die fußballerische Entwicklung des FC Sheriff Tiraspol aufmerksam verfolgen und, wenn je Schalke hier mal spielt, mit dem Themarer herfahren. Auf Herrn Schneeloch werde ich gleich noch ein Warsteiner trinken. Die Biere kommen hier mit Gläsern aus dem Tiefkühlfach, bereift. Hinter mir versucht gerade ein deutscher User seine Internetbekanntschaft von der Flirtplattform in echt zu bezircen. Sie ist eine wirklich adrette Enddreißigerin, er der Prototyp (was ich so höre) des deuuuutschen Touristen. Hätte nicht geglaubt, daß es sowas in echt gibt, real comedy.