Samstag, Februar 19, 2011

Vom Widerspruch beim Reisen oder warum eine pomana helfen wird

Wir sind in 2010 in die Waldkarpaten gefahren. Und wenn ich vom "Wir" schreibe, so war es eine große Truppe von Abenteuer suchenden Leutchen aus dem Clan der Knobelsdorfer.
Stolz auf den ersten Pass in den Waldkarpaten
Was suchen wir für Abenteuer? "Wir wollen in den Osten, da isses so schön uhrig!" "Ihr wollt in die Ukraine? Das ist doch pure Armut!" "Wieviel Kilometer werden es denn dieses Jahr?" Solche Gesprächsfetzen schwirren dann immer über den Tisch mit den halb leeren Biergläsern in Lamsfeld.
Bei der Tour mit Karpatenwilli rund ums Retezat in 2009 hatten wir unsere Abenteuer von aller höch­ster Stelle abgesichert. Willi hatte noch auf der Anreise durch Herrn Stanciu eine pomana, ein orthodoxes Bittgebet, lanciert. Herr Stanciu meinte es gut und ergänzte die Bitte noch um die Abwesenheit von Bären auf unserer Tour. Alles ist ganz korrekt in Erfüllung gegangen, auch Besuch von Bären bekamen wir nicht, was nicht ganz unserer Auffassung von Abenteuer entsprach.
Weg führt zur wundertätigen Ikone Unserer Mutter Gottes von Goschiv
Dieser Weg führt zur wundertätigen Ikone Unserer Mutter Gottes von Goschiv. Und hier beginnt unser Ungemach. Der kleine Umweg zum Kloster hätte uns zu viel gute Kilometer gekostet. Wir haben keine Kriwna investiert, um an aller höchster Stelle für das Wohl der Tour zu bitten.
Und so kam es, dass wir laufend Pannen hatten. Mein Fahrrad ist gestorben, das Rad von KaLeu wim­merte in solch hohen Tönen, dass er es ob seines Alters gar nicht erhörte. Jeden Tag mussten wir auf einen Gefährten mit einer Panne warten. Das schlaucht ... dazu kommt Regen.
Viseu de Sus, Strada 1. Mai, Nr. 120, M. Schneeberger
Morgens nach einem Lager an der Theiss, wo es Nachts mal wieder kräftig regnete, lud uns ein Bäuerlein zum Frühstück ein. Das ist bei einer Truppe von sieben Leuten ganz schön mutig. Hier regte sich aber in unserer Truppe eine Gemengelage von ganz widerstreitenden Gefühlen. Kriegen wir denn bei dem genug? Wenn wir unsere Vorräte auftischen, ist das höflich? Könnte es sein, dass wir was bezahlen müssen? Isses das Wert? Wer redet mit ihm und worüber? Wir lehnten die Einladung ab!
Noch am selben Tag gegen Mittag, wir erreichten Sighetu Marmaţiei, besuchten wir das erste Haus am Platz zum Mittagessen. Der Kellner nahm unsere sehr umständliche Bestellung mit Langmut und grenzenloser Freundlichkeit auf. Das Knipsen und Blitzen ließ er uns durchgehen. Ganz zum Schluss bot er uns aus seinem eigenem Brand eine Runde Zuica an und gab uns den Rest der Flasche einem knappen Liter mit.
Selbstlose Freundlichkeit
Der Abenteuer suchende Reisende trifft auf erfrischende und selbstlose Freundlichkeit. In Oberwischau beschließen wir eine feste Unterkunft zu suchen. Alle freuen sich auf die Herberge, die mit vielen Schildern beworben wird: Pension Nagy. Ja, dort ist aber alles belegt, Enttäuschung macht sich breit. Wir sind in der Zipserei, also ist schnell der Beschluss gefasst, aufmerksam lauschend einige Kneipen zu besuchen, ob wir einige Worte deutscher Zunge hören. Das klappt auch. Gleich in der ersten Kneipe, die Schwägerin der Kneiperin hat Fremdenzimmer in der strada 1. Mai. Alles wird telefonisch eingefädelt. Wir werden zu einem Hof geführt, wo wir Übernachtung für die nächsten Tage finden. Wir beschließen noch einen Ruhetag, um eine Fahrt mit der Wasertalbahn zu machen.
Die Koffiemiehl ist bereit zur Fahrt ins Wasertal
Die Abenteurer wollen nach den Tagen in den Waldkarpaten mal schön heiß duschen, vielleicht ein bisschen Wäsche machen, eben einen gewissen zivilisatorischen Standard finden. In unserer Unterkunft muss aber erst mal der Badeofen angeheizt werden. Denn: "Das ist das Haus meiner Mutter. Sie ist hier vor zwei Jahren gestorben. Nun steht das Haus leer." Draußen steht am Tor Nr. 120 M. Schneeberger. Es ist ein Zipserhaus.
Am nächsten Morgen wabern beim Frühstück ein paar schlechte Schwingungen um den Tisch: "Das hat so komisch gerochen. Wahrscheinlich ist die Frau in meinem Bett gestorben." Ach, aber eine pomana wäre ein zu großer Umweg gewesen! Wir sind nicht abergläubisch, aber eine Abenteuerreise macht eben viel mehr Spaß, wenn man sich mit Haut und Haaren und vor Allem mit der Seele auf das Land einlässt.

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