25.6.2016 Auf kleinen Straßen
Ich konnte gestern noch mit zwei
avantgardistischen Polen, Darek & Robert, Segler und Reisende
überall auf der Welt, die allgemeinen Weltengänge diskutieren. Der
Ausgangspunkt war ihre Frage nach meiner Meinung zum Brexit. Ich
wusste da noch nix vom Ergebnis des Referendums. Statt “Es fügt
sich!” viel mir in Englisch nur ein “I have no idea.” Darek
schenkte immer wieder vom guten Roten ein, der ließ uns den
Diskussionsfaden immer weiter spinnen. Zum Abschluss konnte ich sie
noch zu dem göttlichen hausgemachten Cognac überreden. Es war ein
schöner Abend.
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Canon des Hrazdan-Flusses bei Karenis |
Ich habe mich entschieden nun auf kleinen
Straßen im Tal des Hrazdan meinen Weg zu finden. Das funktionierte
auch recht gut, bis ich die Talstraße in der Stadt Hrazdan
(armenisch
Հրազդան)
verpasste. Im Dörfchen Solak zeigte mir dann endlich Einer den
schmalen Hirtenpfad tief hinunter in die Schlucht zu einer kleinen
Brücke über den Hrazdan-Fluss. Er meinte: “
Eto Problem!”
Ich bin dann noch eine gute halbe Stunde durch die Gässchen im Dorf
geschoben, um wieder zurück zur Dorfstraße zu gelangen. Diese
Landstraße führte dann durch einen armenischen Garten mit Erdbeer-
und Gemüsefeldern permanent bergab, es war eine Lust zu pedalieren.
An einer Kreuzung fragte ich den Chef einer Bäckerei, ob die
gigantische Fabrik oben am Berg noch produziere. “Da, armatury.”
Diese Fabrik muss wohl zu Sowjetzeiten die Armaturen für das ganze
Reich produziert haben.
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Zone zur Erhohlung - es dubelt der Schlik-Grill |
Ashtarak (
Աշտարակ)
liegt zu beiden Seiten einer recht tiefen Schlucht, die der Fluss
Kasakh in das Lava-Gestein gefräst hat. Es gibt eine alte
Steinbrücke über den Fluss. Diese älteste und im Mittelalter
einzige Brücke der Stadt aus dem Jahr 1664 besteht aus drei
unterschiedlich hohen Spitzbögen und liegt an einer scharfen
Flussbiegung, wo sie vor hohen Fluten geschützt war. Dort an der
schönsten Stelle der Stadt befindet sich eine “Zone zur Erholung”,
ohne Kommerz - unglaublich. Die Leute bringen ihr Fleisch, überall
brennen die Schaschlyk-Roste, es wird Domino und Schach gespielt.
Einer versucht aus dem recht reißendem Fluss mit einem kleinen Netz
an einer Angel Fische zu fangen, ich konnte keinen Erfolg beobachten.
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Angler am Flus Kassagh (armenisch Քասաղ) |
26.6.2016 Die Steppe ist verblüht
In Ashtarak fand ich ein wunderbares
Privatquartier. Die Gastfamilie verabschiedete mich herzlich mit
einem großen Beutel voll Aprikosen. Diese Aprikosen sind hier eine
große Köstlichkeit. Die Aprikose war in Armenien schon in der
Antike bekannt und wird dort schon so lange angebaut, dass häufig
angenommen wird, dass dies ihre ursprüngliche Heimat sei. Nicht
umsonst steht das Orange in der Nationalflagge Armeniens für diese
typische Frucht des Landes, „das kreative Talent und die hart
arbeitende Natur der armenischen Bevölkerung“ (Zitat aus der
Verfassung Armeniens).
Gestern Abend im Fernsehen wurde eine
armenisch-römische Kirchenfeier ausgestrahlt, wenn ich es richtig
verstand, ist gerade der Papst Franziskus in Armenien zu Besuch. Der
Konvoi aus lauter schneeweißen G-Klasse-Modellen mit Polizeischutz
war wohl der Konvoi des Papstes auf dem Weg nach Giumri (Գյումրի).
Beim Wiedertreffen auf ihrem Rückweg habe ich meine Mütze gezogen,
die Fahrer haben den Pilger zumindest mit einem freundlichen Hupen
respektiert.
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Denkmal für den Aufstand von Van 1015: Dieses Denkmal wurde in den 80igern von der reichen armenischen Diaspora gestiftet. Die andere Hälfte soll in den USA stehen. |
Seit heute morgen ist kein Wölkchen am Himmel.
Vom westlichen Himmel grüßt der Ararat-Gipfel. Die Straße nach
Giumri (
Գյումրի) führt permanent
und schnurgerade bergauf. Rechts und links gibt es eine Reihe von
antiken und modernen Denkmalen.
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Eine alte Karawanserei an der Seidenstraße - im Hintergrund immer noch der Gipfel des Ararat |
Zum Glück weht ein leichtes Lüftchen, doch schon
bald merke ich - das wird so nichts. Ich muss mir morgen einen
Transport mit einem Autobus oder ähnlichem besorgen. Ich bin jetzt
wieder ca. 1600 m hoch, weiter unten ist die Steppe schon trocken,
gelb und verblüht.
27.6.2016 Die Steppe blüht wieder
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Hier erbarmte sich der Op' meiner |
Die Herausforderungen setzen sich fort, hinüber
nach Maralik (
Մարալիկ)
, über einen Bergzug knapp an die 2000m-Marke Aber ein Op’
mit seinem Shiguli erkannte meine Sachlage und schnallte mein Rad auf
sein Dach und schaffte mich auf den Berg. Mir war aber klar, dass ich
es weiter nicht schaffen werde. So war ich froh, als ich an einer
Raststätte in Maralik eine georgische
Marschrutka nach
Akhakalaki (georg.
ახალქალაქი)
fand. Ruck zuck schnallte der Chauffeur mein Rad wieder auf das Dach
seines FORD Transit und ich war Teil des Teams für einen
Wahnsinnsritt über die Piste nach Georgien. Einer der Passagiere
machte an der Grenze Probleme wegen 50$, ich habe keine Idee, was die
Lösung war und was er büßen musste … nach knapp einer Stunde
ging es weiter. Mich kostete diese Fahrt 20 Georgische Lari
(entspricht ca. 5€).
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Dschawacheti-Plateau (1900m) |
Die Steppe hier blüht wieder. Ich habe hier auf
dem Dschawacheti-Plateau
wieder
fast die Höhe des Sevan-Sees (1900m) erreicht. Bis
1991 war das sogenanntes Grenzgebiet. Besucher von außerhalb
benötigten eine Sondergenehmigung. Auch
nach der Grenze siedeln hier noch immer Armenier (90
Prozent der Einwohner der Gegend gehören zur armenischen
Volksgruppe).
In
Akhakalaki
(
ახალქალაქი)
wird in den Geschäften neben georgischer Währung auch armenisches
und russisches Geld angenommen. Ich konnte hier meine überzähligen
Dram
(armenisch դրամ oder հայկական դրամ, Kurs 2016:
1 EUR = 528,33 AMD) in Georgische Lari (georgisch
ლარი; ISO-Code: GEL; Kurs 2016 1 EUR = 2,58512 GEL)
umtauschen.
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Gleich am hinteren Wegrand ist die Kante zur Wardsia-Schlucht |
Alle
loben uns Deutsche, dass wir von aller höchster Stelle
den Genozid an den Armeniern endlich respektiert haben. Es ist eine
bitterarme Ecke, ich sah noch Leute in Erdhütten leben. Trotzdem hat
der Op’ oben an der Kante zur Vardzia-Schlucht, der seine Kühe
betreute, nix mit den Kommunisten von früher am Hut. Er rechnete mir
vor, dass er für das Fleisch seiner Kühe heute viel mehr erhält
als früher. In unserem weiteren Schwätz erzählte er mir, dass „der
Mann, der die Einheit von Deutschland sichergestellt hat“,
Schewertnadse, seit drei Jahren tot sei. Die Abfahrt in die Schlucht
war anspruchsvoll für Mensch&Maschine. Ich traue meinem
Vorderreifen nicht mehr viel zu. Unten treffe ich meine Freunde
wieder, man sieht, es fügt sich.
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Die Höhlenstadt Wardsia |
28.6.2016 Die wichtigste Sehenswürdigkeit in Georgien kann man nicht sehen
Es war gestern noch ein toller Abend, die
Wardsia-Schlucht (georgisch ვარძია)
ist ein Hotspot für die westlichen Tramper. Damit der Tourist den
gastlichen Ort auf dem Grund des Klosters als Campingplatz
identifiziert, steht ein leeres Kuppelzelt auf der Wiese. Daneben
erkannte ich sofort das Zelt meiner Freunde. Es gibt einen Ausschank
von köstlichen roten Hauswein und man kann diverse Köstlichkeiten
der georgischen Standardküche ordern, z.B. Khinkali (georgisch
ხინკალი), die großen
Teigtaschen, gefüllt mit Fleisch, Käse oder (wem’s gefällt) auch
süß. Khinkali werden von Hand gegessen. Dabei greift man zur Spitze
der Teigtasche (georgisch kudi "Hut"), die kühler
ist als der Inhalt. Man beißt etwas Teig ab und trinkt den Saft aus
der Tasche, dann isst man den Rest. Weil die Spitze hart ist, wird
sie nicht mitgegessen, sondern zur Seite gelegt. Am Ende der Mahlzeit
kann gezählt werden, wie viele Teigtaschen jeder Esser geschafft hat
(Wikipedia).
An der Tafel fanden sich zusammen: Zwei
Rucksackreisende aus Estland, ein Mähre aus Brno, Balint aus
Budapest mit seinem Mädel aus Amsterdam. Lingua franca war
Englisch, ich verstand es, aber wenn man eine Englischlehrerin dabei
hat, braucht man nicht soviel zu schwätzen.
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Wardsia |
Der Aufstieg früh zum Höhlenkloster war zu
trocken, zu hoch und zu heilig, abgebrochen. Wardsia wurde im 12.
Jahrhundert in eine vom Tal rund 500 Meter aufragende Felswand
geschlagen. Die Baumeister nutzten Vor- und Rücksprünge für die
Anlage tiefer Höhlen, die durch Tunnel, Treppen, Terrassen und
Galerien miteinander verbunden sind. Für die Einwohner waren
ursprünglich 3.000 Wohnungen auf bis zu sieben Stockwerken errichtet
worden, die Platz für 50.000 Menschen boten. Jede Wohnung bestand
aus drei Räumen. Es gab eine Schatzkammer, eine Kirche, eine
Bibliothek, Bäckereien, Ställe und Badebassins. Wasser floss aus
Keramikleitungen. Die Höhlenwohnungen wurden durch belüftete
Stollengänge verbunden.
Nach einem Erdbeben im Jahre 1283 sind heute noch
750 Räume auf einer Fläche von etwa 900 Quadratmetern erhalten.
Durch das Beben ist die vordere Wand abgerutscht ist. Damals muss es
viel weniger Löcher in der Wand gegeben haben. In meinem Alter sehen
viele Dinge von unten am Besten aus und solche Weisheiten kann man
von diversen Info-Tafeln und Wikipedia erfahren.
Den Fluss Mtkvari kennen wir bereits aus Tiblissi.
Die 1364 km lange Kura
(dt. auch Kur; georgisch მტკვარი/Mtkvari,
aserbaidschanisch Kür) ist der größte Fluss im Kaukasus. Es
war ein lockeres, aber heißes Pedalieren hinunter nach Akhalziche
(ახალციხე) durch eine wilde
Schlucht, garniert mit diversen Burgen, mehr oder weniger erhalten.
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Burg Khertvisi: Die Khertvisi Festung ist eine der ältesten Festungen in Georgien und war während des georgischen feudalen Zeit funktionsfähig. Die Festung wurde erstmals im 2. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Die Kirche wurde in 985 gebaut und die gegenwärtigen Mauern im Jahre 1354. Wie die Legende sagt, wurde Khertvisi von Alexander dem Großen zerstört. In der 10. und 11. Jahrhunderte war es das Zentrum der Mskheti-Region. |
Nun zu den unsichtbaren Sehenswürdigkeiten: Ich
habe heute begonnen, die berühmte georgische Küche zu ergründen.
Dazu nutze ich zwei Zugänge. Einmal die vielen kleinen
Straßenkneipen, wo die Muttl kocht. Zum zweiten die etwas
gehobeneren Restaurants, weil man da die Speisekarte übersetzt
kriegt. Gerade hat sich die Muttl gefreut, dass ich eine Kharcho,
eine georgische Rindfleischsuppe, bestellt habe. Als Beweis liegt ein
Knochen zum Abknabbern in der würzigen Suppe. Danach habe ich mir
Khachapuri Imereli bestellt, das ist ein leckeres heißes Käsegebäck
zum weißen Hauswein. Vorhin in Azpindza konnte ich eine Speisekarte
studieren (georg. - russ. - engl.), um folgende umwerfenden
Köstlichkeiten probieren zu dürfen. Als kalte Vorspeise Auberginen
gefüllt mit Walnuss-Creme, danach Champignons in heißer Butter in
der Pfanne gegart (hat noch gesprudelt). Ich schmeckte nichts
anderes, als den puren Pilz. To be continued - wird fortgesetzt ...
Hallo Ebs
AntwortenLöschenEndlich wieder ein paar Einträge von Unterwegs.
Eigentlich habe ich angenommen, dass du etwas abnehmen wölltest, aber,-
ich freue mich natürlich auf den nächsten georgisch-armenischen Abend.
Den Grexit haben wir hier mit Hochspannung beobachtet, mit dem Ergebnis, dass man nun ohne die nörgeligen Einsprüche der Briten spalten und schalten kann wie man will.
Aber,-ich wollte unbedingt die Glaskugel befragen, wie es denn in zehn Jahren aussieht in der EU.
Das Ergebnis hat mich überrascht.
Die Eropäische Union besteht 2026 nur noch aus zwei Staaten! Ja!
Merkeldeutschland und Griechenland!
Griechenland braucht weiterhin dringend Finanzspritzen aus dem Rettungsschirm der EU, und Merkeldeutschland dagegen erhofft jedesmal seine ausgereichten Krediten gleich zurückzubekommen.
Ich wünche euch eine gute Tour mit tollen Erlebnissen
Gruß Alibotusch
Das mit dem Abnehmen fügt sich, man würde es, glaube ich, schon sehen.
AntwortenLöschenDu musst beachten, dass sich die georgische Küche mit der Französischen allemal in der Vielfalt&Raffinesse messen kann.
Es war für mich überraschend, mit ausländischen Mitreisenden in Armenenien solche esoterischen Diskurse zu führen. Es ist überraschend, wieviel westliche (und ich zähle die Ost-EU-Länder dazu) hier unterwges sind. Du glaubst es nicht, wie viel unterschiedliche Ansichten hier diskutiert werden! Will sagen: Senken wir die Hochspannung und erweiteren wir uns unseren Horizont.
Ansonsten: Es läuft!