1.4.12, 93 km
Zum Einrollern wählen wir den Thermenradweg (Teil des Eurovelo #9
„Bernsteinweg“) auf dem Weg nach Süden. Anfangs pedalieren wir
entlang des Wiener
Neustädter Kanals, einem Denkmal der kaiserlich & königlichen Bemühungen für die Industrialisierung der Monarchie.
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Der Türkensturz bei Seebenstein |
DER TÜRKENSTURZ BEI SEEBENSTEIN
Im Jahre 1532 waren die Türken
aufs neue in Ungarn eingefallen und weit ins Land vorgedrungen.
Während ihre Hauptmacht die Festung Güns belagerte, brachen
vereinzelte Horden auch in Österreich ein und gelangten auf ihren
Raubzügen bis ins Pittental. Doch die Bauern von Seebenstein und
Gleißenfeld taten sich zusammen, bewaffneten sich mit allerlei
Handwerksgerät und griffen die plündernden Scharen mit dem Mut
der Verzweiflung an. Es gelang ihnen auch, die Feinde zu
zersprengen und aus dem Tal zu vertreiben.
Ein kleiner Trupp der Türken war
dabei in den Wald oberhalb Seebensteins geraten und suchte sich auf
versteckten Wegen der Rachsucht der zornigen Bauern zu entziehen. Da
sah der Anführer der feindlichen Schar auf dem Weg vor ihm die
lichte Erscheinung einer Frauengestalt. Voll Zorn über den letzten
Misserfolg und in der Erwartung, hier leichte Beute zu finden,
forderte der türkische Hauptmann seine Untergebenen auf, mit ihm dem
Mädchen nachzujagen und es gefangen zunehmen. Lüstern und gierig
eilten die Türken der Erscheinung nach, die vor ihnen floh, bis sie
den Rand eines steilen Abgrundes erreicht hatten. Hier sprang die
Heilige Jungfrau Maria - denn sie war es, die den Ungläubigen zum
Verderben erschienen war - plötzlich zur Seite, während die Türken,
blindlings weiter rennend, in die Tiefe stürzten, wo sie
zerschmettert liegenblieben. Nur ein Mann blieb an einem Baum hängen
und kam auf diese Weise mit dem Leben davon. Als man ihn gefangen vor
den Anführer der Bauern brachte, erzählte er, wie die überirdische
Erscheinung ihre Sinne verblendet und sie in den Tod geführt habe,
dem er nur wie durch ein Wunder entronnen sei. (Quelle:
Die schönsten Sagen aus Österreich, o. A., o. J., Seite 178)
In Grimmenstein in der Buckligen
Welt finden wir hinter einem Spielgelände Platz für unsere
Zelte.
2.4.2012, 62 km
Die erste Übung auf unserer Tour ist der Wechsel-Pass (980 m)
hinüber in die Steiermark. Der Radweg ist jetzt als R12
gekennzeichnet. Das Profil bleibt bis St. Johann in der Haide
bucklig.
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Profil des steirischen Thermenradwegs R12: Vom Wechselpass bis Bad Radkersburg |
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Wir lernen Herrn
Pußwald (fast 80) kennen. Ihm gehört das Kaufhaus
und der Most-Schank hier. Die Urkunden über der Kasse bezeugen seine
gesellschaftliche Präsenz als Bürgermeister a.D.,
Fremdenverkehrsobmann, Kirchenorganist und Jerusalem-Pilger. Er kann
auf unsere Bitte hin, gegenüber auf dem kleinen Sportplatz zelten
zu dürfen, sofort die richtigen Leute für die Erlaubnis anrufen.
Ganz herzlichen Dank!
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Übrigens sind das
die letzten Maiskolben,
die hier oben zum Trocknen hängen |
Beim
"Woaz schöln" wird das "Gschalla" bis auf zwei
Blätter vom Kolben entfernt. Danach werden die verbliebenen Blätter
von vier Kolben zusammengebunden. So wurde der Mais Jahr für
Jahr im Wirtschaftsgebäude von Pußwald zum Trocknen
aufgehängt, ehe der Kolben abgeriffelt und die Maiskörner als
Futtermittel verarbeitet wurden. Nach getaner Arbeit gab es jedes
Jahr frische Schmalzstrauben und Glühwein. "Das ,Woaz schöln'
war nicht nur Tradition, sondern auch ein jährliches
gesellschaftliches Ereignis in St. Johann", erzählt Pußwald
mit ein wenig Wehmut.
Quelle: Kleine
Zeitung vom 18.10.2010.
3.4.2012, 81 km
Heute sollte es der
wärmste Tag der Tour werden. Die Etappe erweist sich als weiter
bucklige Radler-Kulturstrecke in eine bunte Frühlingswelt. Wir
kommen am Rogner-Bad in Bad Blumau vorbei, das von der
Friedensreich-Hundertwasser-Kommission ob seines Anstrichs lizenziert
ist. Unsere Zelte bauen wir am Fluss Raab bei Fehring auf.
4.4.2012, 72 km
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Bald ein Steak? |
Unsere erste Einkehr
erklingeln wir uns bei einer Straußenwirtschaft. Dies muss ich
erklären: Wir sind in der Steiermark und es müsste
Buschenwirtschaft heißen, wenn hier Einer seinen Wein verkaufen
würde. Nein, hier werden alle Produkte aus dem Vogel Strauss
angeboten. Ein Ei-rühert-Euch aus einem Ei vom Strauss entspricht
einem Omelett aus 25 Hühnereiern, sage und schreibe 1,5 Liter. Das
nenne ich rationelles Kochen. Aus den ca. 3,5 mm starken Schalen
macht die Frau des Hauses allerlei Nutzloses zum Verschönern des
Heims. Wir sind beim Straussenhof
Donner.
Noch ein Huckel
hinauf nach St. Anna am Aigen, dem Sitz der Gesamtsteirischen
Vinothek, dann überqueren wir in Bad Radkersburg den Grenzfluss Mur
und sind in Slowenien. Hier setzt sich das Hügelland als Süße
Berge fort. Es dominiert der Obstbau und folglich auch der Obstbrand.
5.4.2012, 82,5 km
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Rotunde des Hl.
Johannes des Täufers in Muta |
In Maribor erreichen
wir die Drava / Drau, der wir nach einem Mittagessen beim
freundlichen Chinamann (es gab bruzlige Ente für Helmut, weshalb er
am Ende der Tour das als den kulinarischen Höhepunkt hinstellte)
aufwärts folgten. Der Drauradweg führt hier sehr hoch in die Berge,
wir nahmen den Straßenverkehr in Kauf, weil wir so auch öfter an
einer pivnice halt machen können. Die Wettertendenz ist
steil nach unten gerichtet. In der Zeit der Bofplatzsuche regnet es
intensiv und wir lassen uns vom Gasthaus
bei der Linde in Muta verleiten. Dieses Gasthaus befindet sich
direkt neben der ältesten slowenischen Kirche, der Rotunde des Hl.
Johannes des Täufers, die vom Papst Leon IX im Jahre 1052 geweiht
wurde.
Am
Abend erhalten wir nicht nur kulinarische und alkoholische
Spezialitäten des slowenischen Kärntens (Koroška),
sondern auch jede Menge Informationen über die Sehenswürdigkeiten
dieser Region. Polona Simona, gestern hat sie ihren 30igsten
gefeiert, macht uns mit ihrer Heimat bekannt. Helmut wird voll für
die unglückliche steirische
Klachlsuppe mit einem Pohorje Eintopf entschädigt. Es ist ein
denkwürdiger Abend.
6.4.2012, 52 km
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Eingang in den Glancnik-Stollen |
Eine der empfohlenen
Sehenswürdigkeiten steht heute auf unserem Plan – Der
Glancnik-Stollen
in den Petzen bei Mežica.
In Prevalje finden wir aber erst einmal einen Radladen, wo Jens und
Helmut sich ihre Bremsen erneuern lassen. Es wird sich
herausstellen, dass das eine gute Entscheidung war. Doch es wird
spät am Stollen. Wir sind zwar kurz vor 15 Uhr da, leider gibt es
heute aber keine Befahrung mehr. Die Gewinnung von Blei und Zink hat
im Meža-Tal eine über 400-jährige Tradition. Bei Žerjav gibt es
noch einen Schacht mit angeschlossenem Hüttenbetrieb. Laut Rother
Wanderführer Karawanken aus dem Jahr 1990 ist es das „Tal des
Todes“.
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Schacht und Hütte in Žerjav |
In Črna na Koroškem ist der
Wettertiefpunkt erreicht: Kalt, nass und ohne Hoffnung auf Besserung.
Nach einigen Runden in Črna finden wir das Schild mit dem
schlafenden Kralj Matjaž, das uns ein Appartement
verspricht. Eine hilfsbereite Nachbarin ruft die Wirtsleute an und
nach einigen Minuten beziehen wir das Ferienhaus. Noch am Abend reift
der Beschluss hier bis Montag zu bleiben.
7.4.2012
Es wird der Tag der Bräuche und Legenden.
Gleich früh beim
Morgenspaziergang fällt mir ein Mann auf, der an einem Draht ein
rauchendes Etwas schwenkend mit schnellen Schritten die Straße rauf
kommt. Er hat einen Baumpilz angezündet und vertreibt so die bösen
Geister des Winters. Später sehen wir diesen Brauch noch im ganz
großen Stil.
Dann kommen die
Frauen mit Körben zur Kirche. Das ist die Speisensegnung. Hierzu
wird das Essen für das Ostersonntagsfrühstück (Brot, Fleisch, 5
Eier, Meerrettich und Rotwein) am Ostersamstag in Körben in die
Kirche gebracht und gesegnet. Die Speisen sind Symbole für Jesus
Christus und die Kreuzigung.
Später kann ich
auch zur Bildung von Legenden beitragen. Auf unserer kleinen Tour in
die Seitentäler der Mežica unter dem Petzen besuchen wir eine
Kneipe, wo wir sofort die gesegneten Eier dargeboten bekommen. Ich
habe von Winni gelernt, wie man gekochte Eier ausbläst. Es gibt
dafür stehende Ovationen der Gäste in der Kneipe. Vom Regen werden
wir nach kurzer Zeit wieder in die Kneipe zurück getrieben. Die
Wirtin reicht sofort mit dem Bier mir noch einmal den Korb, um vor
den neuen Gästen das Kunststück zu wiederholen.
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Der Berg Petzen |
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Einer hiesigen
Legende nach wartet "König Matthias" (Kralj Matjaž)
im Inneren des Berges Petzen
mit seinen Getreuen auf eine Weltschlacht. Wenn sein Bart 9mal um den
Tisch gewachsen ist, wird er kommen und alle Ungerechtigkeiten
rächen.
Donnre,
donnre, graue Petzen,
öffne deinen Felsenschlund!
Viel zu lang
schon schläft das Heer des
Kralj Matjaž auf deinem Grund …
Heb
das Schwert, entzünd das Feuer,
gib uns Freiheit, gib
Courage!
Rette uns in Gottes Namen
vor dem Fremden – Kralj
Matjaž!
Quelle:
In
der Verbannung/V pregnanstvu. In: Hartman,
Milka: Der Frost verspinnt die Beete mir mit feinen Netzen. Aus
dem Slowenischen von Erwin Köstler und Andrej Leben. Drava 2007, S.
16 – 17.
9.4.2012, 45 km
An einem solchen Tag muss man den Panorama-Weg unter der
Olševa
(Panoramska
cesta Podolševa)
fahren. Die Sonne regiert wieder den Himmel, die Berge sind mit
Schnee bezuckert. Weiß-blaues Kaiserwetter.
Der Weg verläuft
die Meža aufwärts in Richtung Koprivna, links weg zum Pass Spodnje
Sleme. Ein Passat-Fahrer ist wieder umgekehrt und warnt: „Zu viel
Schnee oben!“ Doch wir wollen selber sehen, selber auf den Pass. Da
ist man dann auf ca. 1250 m.ü.A.
bzw. m.
i. J.
Einige dutzend Meter habe ich dann wegen der Schneedecke bergab
geschoben. Als ich aber sah, wie Helmut das in den Pedalen stehend
meisterte, bin ich auch aufgesessen.
Dann
auf dem Panorama-Weg guckt man in die Nordwände der Steiner- und
Sulzbacher Alpen (Kamniško-Savinjske
Alpe)
– atemberaubend! Bei der Abfahrt nach Solčava zeigte sich die
Nützlichkeit der Überholung der Bremsen vor ein paar Tagen in
Mežica. Die kälteste Zeltnacht dann auf dem Autocamp
Smica in Luče.
10.4.2012, 75 km
Keiner wankt in den Karawanken. Heute haben wir uns nochmal einen
Pass vorgenommen, den Volovljek knapp über 1000 m. Eine besondere
Belohnung war dann die Abfahrt hinunter nach Kamnik. Nun haben wir
die Gegend Gorenjska
Oberkrain erreicht. Auf dem Sportplatz von Podbrezje
stehen dann unsere Zelte.
11.4.2012, 36 km
Langsam aber sicher müssen wir unsere Rückkehr planen. Wir
wollen uns auf dem Bahnhof in Jesenice
(deutsch Aßling) informieren. Durch den Karawankentunnel gibt
es aber nur noch D-Züge (ein einziger mit Fahrradtransport) und ganz
früh ein Personenzug nach Rosental. Das hatte ich irgendwie anders
in Erinnerung. Beim Kaffee in einer Konditorei schlägt Helmut die
Fahrt über den Wurzenpass vor, um dann in Villach oder Klagenfurt in
den Zug zu kommen, den wir in Wien am Samstag eh nach Dresden nehmen.
So soll es denn sein. Wir fahren dann nur noch nach Dovje auf den
Camping
Kamne, den ich aus 2008 kenne. Das Wetter hat wieder einen
Tiefpunkt erreicht. Als wir die „Alte Schmiede“, ein sehr schönes
neues Restaurant verlassen, drascht es – hält fast die ganze Nacht
über an.
12.4.2012, 81 km
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Vrata-Ta |
Endlich hört der Regen auf – ich kann endlich pinkeln gehen.
Was für eine Überraschung, der Vollmond steht über dem Triglav.
Für die heutige Tour haben wir wieder Kaiserwetter.
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Kranjska Gora |
Nachdem wir in Villach auf dem Bahnhof
unsere Tickets für die Heimfahrt ab Klagenfurt gekauft haben, sind
wir noch einige Kilometer die Drau abwärts gefahren. Hier gibt es
eine Reihe von Denkmälern und Tafeln zum Kärntner
Abwehrkampf 1918-1929.
Hier der Text einer Tafel an der Drau bei
St. Jakob im Rosental:
Im
Zuge des Vordringens von SHS-Truppen ins Rosental wurde das Gebiet um
St. Jakob im Rosental schon am 25. November 1918 besetzt. Die
strategische Bedeutung dieses Raumes ergab sich daraus, dass hier mit
dem Rosenbacher Eisenbahntunnel eine wichtige Verkehrsverbindung
vorhanden war, die den SHS-Truppen Nachschubmöglichkeiten in
personeller und materieller Hinsicht ermöglichte. Deshalb war dieses
Gebiet besonders heftig umkämpft.
Schon
am 6. Jänner 1919 wurden die SHS-Truppen im Raum Rosenbach, St.
Jakob und Rosegg von Kärntner Abwehrkämpern (Gruppe Velden,
Volkswehrkompanie Spittal, Rosegger und Maria Gailer Freiwillige) bis
an das Nordportal des Rosenbacher Tunnels zurückgedrängt, ohne dass
der Tunnel selbst genommen werden konnte. Der Bahnhof Rosenbach wurde
besetzt.
Die
amerikanische Miles-Kommission besuchte St. Jakob gleich zweimal (am
1. und 3. Februar 1919), um sich ein genaues Bild von der Situation
und der zweigeteilten Stimmungslage in der Bevölkerung zu machen.
Nach
dem Bruch des Waffenstillstandes am 29. April 1919 durch SHS-Truppen
kam es auf der Linie Lavamünd-Rosenbach zu heftigen Kämpfen und zur
neuerlichen Besetzung St. Jakobs. Schon am 30. April setzte die die
Kärntner Gegenoffensive ein, in deren Verlauf es der Kärntenr
Abwehr am 4. Mai 1919 gelang, das Nordportal des Rosenbacher Tunnels
einzunehmen un den Eingang zu versperren.
Im
Zuge der SHS-Generaloffensive ab 28. Mai 1919 mussten sich die
Kärntner Abwehrkämpfer Anfang Juni 1919 in den Raum Faaker See
zurückziehen, jedoch war die Volksabstimmung schon seit Mitte Mai
1919 in Paris beschlossene Sache.
13.4.2012, 46 km
Noch ein letzter Huckel und dann hinein nach Klagenfurt. Jens
fragt die Taxifahrer nach einem Hotel und erhält die Empfehlung für
die Pension Schmidt. Es ist dann die Pension „Alte Schmiede“ Nahe
des Zentrums. Schee, guat und billi!
14.4.2012
Wir brechen zeitig früh 4:30 Uhr auf. Zum Glück rechtzeitig denn
ich habe einen Plattfuß hinten. Aber geht noch: Es ist ein
Schleicher, das Aufgepumpte hält bis zum Bahnhof. Wir bleiben mit den
Rädern auf unseren Plätzen bis Dresden (bzw. Jens bis Berlin).