Donnerstag, Juli 05, 2018

"Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”

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Ich möchte noch auf eine Spezialität dieses Ortes Smilyan hinweisen - die Smilyaner Bohnen.
Die Smilyaner Bohne - in den Nationalfarben von Bulgarien
Diese dicken Bohnen werden in zahlreichen Zubereitungen dem Gast angeboten, als Salat zusammen mit Kartoffeln oder für mich paniert!
Jedes Smilyaner Böhnchen ein Tönchen! Panierte Tönchen.
Ich hatte von einem Herbergsgast gestern Abend noch den Tipp erhalten, den Weg nach Kardshali über Zlatograd zu wählen. Durch die vielen Stauseen konnte ich selbst das schwierige Profil des Weges im Arda-Tal vermuten. Ich folge also mal wieder dem Iron Curtain Trail. Anfangs Arda-abwärts mit schluchtartigen Abschnitten bis Rudosem.
In den Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens sind mir immer die großen Minarette der neu errichteten Moscheen aufgefallen. Im Vergleich zu den kleinen geduckten orthodoxen Kirchlein geben die Türme der Moscheen ein eher herausforderndes Bild ab. So etwas gibt es in Bulgarien nicht. Haben die Bulgaren das durch eine Bauordnung geregelt?
Ein bescheidens "Ofenrohr"-Minarett
“Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”, hätte am Ortseingangsschild stehen können. Zu Rudosem gehören noch etliche richtige Dörfer, aber das Zentrum rund um ein Hüttenwerk ist eine Gründung der 1950er.
“Diese Stadt hat gebaut uns Väterchen Stalin”
Der Name ist ein Kunstwort zusammengesetzt aus руда (Erz) und земя (Erde). Heute wird überall gründlich renoviert, zum Beispiel der Platz vor dem Kulturpalast. An der Kreuzung direkt im Zentrum drehen sich noch die Seilscheiben einer Schachtanlage.

Die nächste Bergbaustadt, Madan, macht da einen bedeutend moderneren und agileren Eindruck. Es ist ein altes Bergbaugebiet. Schon die Thraker sollen hier Bleierz im 4. bis 5. Jahrhundert v. Chr. abgebaut haben. Wozu haben die Blei gebraucht? Für Särge? Es war eben ein leicht zu verarbeitendes Metall.
Hier sind mir wieder etliche hochwertige PKW mit Rechtslenker aufgefallen. Der Bulgare an sich scheint auch ein Brexit-Opfer zu sein. Früher kam man als Tourist noch mit russischen Sprachkenntnissen klar, das können nur noch die Alten. Der junge Bulgare ist fit im Englischen und hat sein Glück in Britannien gemacht.
Das ist der Idealfall: Nach langer Auffahrt auf den Pass Petschinsko pereval eine Kneipe
Nach Madan ging es schon leicht aufwärts, danach die Auffahrt zum Petschinsko Pereval auf 1050 m war zünftig. Unterwegs bekam ich erfrischende Melonenstücke von einer bulgarischen Türkenfamilie, die auf Urlaub aus Deutschland mit ihrer gemieteten brandneuen Daimler C-Klasse hier den Maxen raushängen lässt. Der eine Sohn (ca. 16 Jahre) wollte sich unbedingt mit mir, dem Rad und in seiner Rede “meinem Auto” abfotografieren lassen.
Man beachte rechts die Bergbauhalden mit Mundlöchern und großen Felsspalten
Die Abfahrt vom Pass war spektakulär. Es gab überall Reste von Bergbaustollen und Halden zu sehen. Direkt unter dem Pass, bei Straschimir, mehrere Stolleneingänge und eine riesige Spalte im Fels … man muss eigentlich nochmal dorthin.
Jetzt bin ich in Zlatograd, wo der Geraer Goldwäscher (ein Gast beim Rumänien-Treffen an der Lützsche) zum Staunen der Bulgaren mitten in der Stadt Gold gewaschen hat.

Dienstag, Juli 03, 2018

Der Konak des Agha Salih

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Es war heute morgen nach Auflösung des Nebels ein sehr schönes Pedalieren hinauf in das obere Arda-Tal. Immer wieder finden sich Wegweiser und -tafeln zu zahlreichen Wanderwegen zu Höhlen, Canons und Festungen der Thraker. Ich habe mich mit meinem Rad an die Straße gehalten.
Thrakische Festung "Kale" (Крепост "Калето") beim Dorf Koshnitsa (Kошница)
Nach den Erfahrungen mit dem bulgarischen Strahler gestern habe ich die Ausschwemmungen der letzten Regenschauer auf Mineralien untersucht und tatsächlich einige Gänge gefunden. In Mogilitza gibt es wohl den letzten Serail in Bulgarien, das Agushevi konatsi (bulg.), Agha’s Konak. Ein Konak ist eine Residenz eines lokalen osmanischen Feudalherren. Das Konak hat der Agha Salih von 1820 bis 1840 für sich und seine drei Söhne als Sommerresidenz von drei bulgarischen Handwerkersmeistern erbauen lassen. Leider konnte ich das Haus nicht besuchen, es muss richtige “Versteckecken” (secret enclosures) drinnen geben.
Der Konak des Agha Salih
Ich musste immer das Wetter im Blick haben, ich bin nach einem kleinen Spaziergang in Gorna Arda wieder zurück nach Smilyan gekehrt. Die ersten fünf dicken Tropfen trafen mich noch beim Abschließen des Rads vor meiner Stamm-mechana hier.
Entgegen der Wetterkugel: Der zweite Tag war länger schön. Erst jetzt gegen 17 Uhr gibt das Wetter in Smilyan ein mächtiges Gewitter.
Der Plan für heute sah vor, einige der Sehenswürdigkeiten im oberen Arda-Tal zu besuchen. Plan nicht erfüllt - in der Höhle Uhlovitsa und auf der Festung Kaleto war ich nicht. Die Steigen sind noch recht nass, und vor allen Dingen steil - abgewählt.
Borikovo bei Mogilitsa (Могилица)
Bei Mogilitsa bin ich in ein Seitental zum Dorf Borikovo und noch darüber hinaus. Auch dort gibt es eine Höhle - Borikovska Peschtera. Hier stellte ich mein Rad in die Büsche und bin mit dem Makroobjektiv bewaffnet auf Motivsuche gegangen.
Ein Widderchen
"Heupferd"
Nun konnte ich auch das Konak des Agha Salih besuchen. Es gab eine Führung in bulgarischer und englischer Sprache. Sehr interessant und spannend.
Raum zum Repräsentieren: Hier wurden hohe Besucher empfangen
Viele der Räume hätten noch originale Einrichtungen. Zum Beispiel die Schlafräume: Dort gibt es hölzerne Einbauschränke, eine der Schranktüren führt zur banja, der Dusche.
Mir haben die noch originalen Farben gefallen
Mir sind schon gestern die vielen Schornsteine (es sind 24) aufgefallen, jedes Zimmer hat einen Kamin. Am prächtigsten ist die oberste Etage ausgestattet, es ist die Etage für die Gäste des Hauses und zum Repräsentieren. In einem der Gästeschlafzimmer gab es ein als Fenster getarntes Türchen zu den Zimmern der Herrschaft.
Der Konak des Agha Salih: Haupteingang zum ersten der drei Innenhöfe
Die Führerin hat zum Schluss noch etwas zur jüngsten Geschichte erzählt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden habe: Bis 1949 hat die Besitzerfamilie Agushev aus Russe hier im Sommer gewohnt. Seit 10 Jahren soll das Konak wieder an die Besitzerfamilie zurückgegeben worden sein und heute im Rahmen einer Stiftung als Museum und Tagungshaus genutzt werden.

Montag, Juli 02, 2018

Im Tal der Arda

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Wieder 1000 Höhenmeter auf dem Weg von Devin nach Smoljan geschafft. Bis Shiroka Laka war es noch ein ordentliches Pedalieren. Das Dorf konnte seine Architektur, Musikkultur, Natur und Geschichte aus der Zeit der Wiedergeburt erhalten.
In Shiroka Laka
Die Orthodoxe Kirche "Hl. Jungfrau Maria " (Православен храм “Св. Богородица”)
Einen kleinen Abstecher in das Seitental nach Gela habe ich schnell abgebrochen. Dort oben gibt es mehrere alte Burgen und Kultstätten der Thraker, zum Beispiel die Turlata. 
Blick zur Turlata, der Kegel im Mittelgrund
Das war auch richtig, ich bin am Nachmittag zum Pass hoch viel Rad gewandert, soll heißen: Geschoben. Hier um Stoikite gibt es wieder die Waldkooperative “Borika”. König Karl Ferdinand, einer aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha, stiftete seinen Waldbesitz in den Rhodopen. Die Einwohner konnten für einen 1Goldleva 1ha Wald kaufen. Er brauchte wohl Bares nach den Balkankriegen. Es wurde eine Kooperative gegründet, die den Wald bis zu den Kommunisten verwaltete. Zur Wende in Bulgarien wurde das Gebiet wieder an die neu gegründete Kooperative “Borika” zurückgegeben. Es wird heute “FSC”-zertifiziert erfolgreich bewirtschaftet. Es gibt hier schon Pilze. In Stoikite zeigte Einer mir seinen Korb voll Pfifferlinge und einen weiteren gefüllt mit diversen anderen Pilzen.
Die Abfahrt vom pereval unter dem Großen Perelik hinunter nach Smoljan war spektakulär. Da freue ich mich immer wieder über meine zuverlässigen hydraulischen Felgenbremsen.
Auf dem Weg ins Arda-Tal nach Smilyan
Zum Pass hinüber ins Tal der Arda von Smoljan aus
Es gilt wieder, einen steilen Pass zu bewältigen, hinüber ins Arda-Tal nach Smiliyan. Bin wieder gewandert.
Auf dem Pass hat Vladimir Serafimov seine Gedenkstätte, der 1912 die Gegend um Smoljan im Rahmen des Ersten Balkankriegs als Befehlshaber des 21. Regiment Sredna Gora von den Türken eingenommen hat. Das Dorf Tschokmanovo am Pass soll heute nur noch 50 Einwohner und einen Laden haben. Vor diesem einem Laden trank ich mit einem Einwohner ein Zagora spezialno, er erzählte mir die ganze Geschichte (was ich so verstanden habe).
Auf der Abfahrt traf ich einen bulgarischen Strahler. Er rief mich heran und bot mir einen kalten Kaffee aus seinem Wohnmobil an.
Beim Strahler
Dann fielen mir seine Steine auf, zum einen zum Trockenen ausgelegt oder beim Waschen am Brunnen. Dann zeigte er mir seine in den Rhodopen im letzten Monat gefundenen Schätze. Es hat und regnet hier zur Zeit viel, so werden auch viele Kristalle frei geschwemmt.
Ein Sahnestück war ein Bergkristall, gekrönt mit einigen Stibnit-Kristallen (Antimonit-Nadeln).
Es gewittert und drascht in Smilyan, ich habe mich für die nächsten drei Nächte hier einquartiert. Es ist gegen 3 Uhr nachmittags am zweiten Tag der zweiten Hälfte des Jahres, ich mache jetzt ein Nickerchen.
In Smilyan

Samstag, Juni 30, 2018

In Devin

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Der Letzte im Monat ist immer noch ein Regentag, wenn auch die Sonnenzeiten sich an die Stundengrenze annähern. Es hat heute Vormittag zu einem Spaziergang in eine Schlucht oberhalb von Devin gereicht. Das Hochwasser der Devinska Reka hat aber das Weiterkommen verhindert. 
Schlucht der Devinska reka
Vor 10 Jahren hätte ich vielleicht die glibbrigen Steine noch für günstig hingelegt empfunden und die 50 m überwunden, wo der Kunststeig durch die Schlucht sich fortsetzte. 
Lakata - Schlucht der Devinska reka
Dieser Abschnitt der Schlucht wird “Lakate” genannt und ist bei diesem Hochwasser sehr beeindruckend. Seitwärts geht noch ein Pfad zu einem Wasserfall hoch in die Wand, doch dieser Weg schien unter diesen Umständen auch nicht begehbar zu sein.
Also widme ich mich an diesem schaurigen Nachmittag, es drascht gerade, einer Sache, die immer geht: Der hiesigen Küche. Ich sitze in einer mechana mit viel Ethno-Musik. Natürlich dominiert der Grill - “skara”. Aber da übertreibt der bulgarische Grillmeister an sich es oft und das Fleisch ist sehr durch und tot. Die Salate sind in der Regel diverse Variationen des Schopski Salat. Aber es gibt auch tolle Überraschungen unter den Salaten, dann mit mehrheitlich Käse, eine Spezialität der Rhodopen. Persönlich liebe ich leider ja Gebackenes, auch da bin ich hier richtig. Ich habe mir schon öfters als Mezes zum Bier Parlenka po Rhodopski bestellt. Das ist eine Art Pizzateig bestreut mit weißem Käse - sirene … oder gerade eben mit Knoblauch. Tatsächlich findet sich auf den Speisekarten die Rubrik “mezeta”, also Kleinigkeiten zum Getränk. Gestern wählte ich daraus “sudshuk”. Es war eine gegrillte Wurst (ringförmig), für deren Würze sich kein Thüringer Rostbratwurst-Fleischer hätte schämen brauchen.

Mittwoch, Juni 27, 2018

Regentage

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So sieht es gerade aus meinem Fenster in der хижа Тешел aus.
Das sind jetzt die vom Abt angekündigten Regentage. Gestern reichten die drei blauen Flecken in den Wolken für einen Radausflug hinauf nach Jagodina und bis Buinovo. Der Buinovo Shdrelo (Buinovo Canon) ist beeindruckend. Mit dem Weitwinkelobjektiv konnte ich hoffentlich mehr Motive aus der Schlucht einfangen als vor drei Jahren.
Schlucht Buinovsko Shdrelo: Straße nach Yagodina und Blick auf den Orlovo Oko
In Jagodina: Oben am Orlovo oko braut sich Regen zusammen
Eine wesentliches touristisches Angebot für den Touristen ist eine Fahrt mit dem Jeep zum Orlovo oko, dem Auge des Adlers. Das ist ein Steg hinaus über eine Felswand über der Schlucht Buinovsko Shdrelo.
Mein sommerlich optimistisches Weltbild von Bulgarien hat mich zu einer Ausrüstung verleitet, die diesem Wetter nur sehr wenig gerecht wird. Mal sehen, was ich heute anstellen kann...
Ich bin nicht weit gekommen, nur hinauf nach Gyovren. Dort konnte ich hören, das es tatsächlich die Großmütter sind, die die türkische Sprache an die Enkel weiter geben. Ein Ömchen hat der Enkeltochter etliche Artikel aus dem Lebensmittelladen erläutert. Die Kleine war noch nicht in der Schule. So wie es der Wirt aus der Mjelnitsa erzählt hat.
Furt bei Gyovren zum Weg nach Mugla durch das Reservat "Kasanite" vor dem Regen
Am nächsten Tag ist die Furt nicht mehr ohne weiteres begehbar.

Es ist bereits Freitag, 29. Juni.
Nach Devin nur sprungweise vorgearbeitet, sobald sich ein blaues Loch am Himmel zeigte. Ich muss wohl laut der Wetterkugel im Internet noch bis Sonntag rumgammeln, bevor es wieder auf Tour gehen kann. Dann über Smolyan zum Tal des Arda-Flusses, da sind zwei ordentliche Pässe.
Nastan unter einem blauen Loch im Himmel

Montag, Juni 25, 2018

Ein Wiedersehen in der alten Mühle

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Nun lasse ich es doch ruhig angehen und habe den "tschechischen Weg" verlassen. Auf der Straße von Dospat hierher in alte Gefilde nach Teschel. am Ortsausgang von Dospat entdecke ich eine seltsame Art von Ackerbau.
Es werden wohl Pilze angebaut: eine Erklärung findet Ihr hier und den folgenden Posts
Bestärkt in dieser Entscheidung hat mich der ständig drohende Regen und ein Forstingenieur in Zmeitsa:. "Nehme die Asphaltstraße!" 
Kemera-Brücke über die Sarnena reka bei Zmeitsa - gebaut im römischen Stil im 17. Jhdt.
Ein Selfie
Ich habe mich diesmal in die neue хижа Тешел, eine Berghütte des bulgarischen Touristenverbands BTS, für drei Nächte eingemietet. Das ist ein perfektes Basislager auch für Wanderer in dieser wunderbaren Region mit den Schluchten Trigradsko und Buinovsko shdrelo.
Rasante Abfahrt von Borino in die Schluchten
Nur muss der Wanderer hoch modern gerüstet sein. Ich fand am Beginn eines Eko-Trails von Dospat nach Koschari einen Wegweiser ausschließlich mit QR-Code und einem RFID-Chip für NFC. Da nützt selbst die Kenntnis der kyrillischen Schrift nix. Man braucht den siebten Sinn eines Smartphones, um sich den GPX-Treck runterzuladen. Unterwegs wohl kaum noch Wegweiser, der moderne bulgarische Wegewart läuft den Weg einmal ab und nimmt den Treck auf. Es braucht dann keine Farbe an den Bäumen oder Wegweiser aus dem letzten Jahrtausend.
In der alten Mühle
Gerade bin ich von einer kleinen Abendausfahrt zurück. Ich besuchte die "Barbecue Melnitsata" bei Giovren, ein Dorf bulgarischer Türken. Dort war ich vor drei Jahren schon. Ich konnte mich recht ordentlich mit dem Wirt unterhalten. Er fragte mich nach den vielen Türken in Deutschland und, ob ich türkisch könnte. Ich zeigte ihm meinen Google-Übersetzer mit Türkisch. Es stellte sich heraus, dass er zwar türkisch spricht, es aber nicht schreiben kann. Die Sprache der Pomaken wird nur noch von den Müttern und Großmüttern mündlich überliefert. In der Schule lernen die Kinder seit 100 Jahren alle ausschließlich bulgarisch.
Für meinen Ausflug in das Reservat Kasanite warnte er mich vor Bären und den ca. 80 cm langen giftigen Schlangen.

Das Massaker in Batak und eine schöne Frau

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Ich bin jetzt auf 1000 m.ü.d.M geklettert. Ich bin in Batak. Hier gibt es eine offensichtlich alte Kirche. Wie schon in Peschtera muss man einen Meter hinuntersteigen, um durch das Portal die Kirche zu betreten. 
Die Kirche Sweta Nedelja in Batak
Erstmal sieht alles orthodox normal aus, bis mir die zwei Sarkophage auffallen, gefüllt mit Schädeln, viele mit mächtigen Löchern in der Schädeldecke. Es ist der Ort einer der größten Wunden, die die osmanische Herrschaft der bulgarischen Nation beigebracht haben. Während der Jahrhunderte der Türkenbesetzung konnten sich die reichen Holzhändler von Batak freikaufen, es war eine Insel des Christentums im Land der Pomaken. 1876 zur Zeit der bulgarischen Wiedergeburt dachten einige der Bürger, dass man sich endlich befreien könnte und den Tribut sparen. Nach einiger Zeit merkten die Osmanen, da stimmt was nicht. Sie schickten eine Armee aus 8000 Soldaten, dazu Freischärler, Banditen, die Başı Bozuk. Wieder handelten die Kaufleute einen Waffenstillstand aus und gaben einen Großteil ihrer Waffen ab. Das war das Zeichen für die Başı Bozuk zum Plündern, Brandschatzen und Morden. Einer der letzten Zufluchtstellen war die Kirche "Sweta Nedelja". Die Frauen gruben in der Kirche einen Brunnen auf der Suche nach Wasser.
Aus dem Bericht des amerikanischen Korrespondenten MacGahan der "Daily News"
Ein Korrespondent der englischen "Daily News" schätzte damals die Zahl der Toten auf 7000 in Batak. In der Kirche ist ein Foto zu sehen, dass die Gebeine ausgebreitet auf dem Boden der Kirche zeigt. 130 Jahre später entzündet sich in Bulgarien ein Bilderstreit - das Bild ist inszeniert.
Dann wird weiter geklettert, es werden in Summe seit Peschtera oben auf dem Pass Kapelna über 1000 Höhenmeter sein. Zweimal gab es Abschnitte mit 9% ausgezeichnet - den zweiten Abschnitt habe ich geschoben. Den Pass konnte ich schon von weiten hören, die dumpfen Bässe bulgarischer Diskomusik stampften durch den Wald. Oben gibt es eine neue Hütte mit Eko-Kamping, ein Holzzuber-Spa und eine Sauna auf der Wiese. Hier hatten sich für das Saturday-Night-Fever eine Gruppe junge Leute eingemietet. Einer der Wortführer entschuldigte sich auch gleich: "Maybe noisy!", ich könnte mein Zelt oben am anderen Ende aufstellen. Es stellte sich heraus, dass die Wirtin der Hütte, jedenfalls hat sie mir Bier gezapft und Waffeln verkauft, die bulgarische Helene Fischer war. Die hat dann am Abend playback zu Musik, gestreamt über Wifi auf ein Samsung-Phone und verstärkt durch zwei mächtige Boxen eine große Show abgezogen. Selbst mir alten Tanzbär zuckte das Twistbein. Als ich mich von der Bande mit "Leke noc" verabschiedet habe, hat die Künstlerin mir so tief in die Augen geschaut, dass ich die ganze Nacht im Zelt von ihr geträumt habe.
Nicht wegen der Träume, sondern wegen der Kälte habe ich schlecht geschlafen im Zelt. Trotzdem habe ich mich durch den abwechslungsreichen Wald der Rhodopen geholpert, teilweise geschoben. Es kommen Zweifel, ob ich tatsächlich den Empfehlungen der Tschechen auf mapy.cz, die das als Radweg ausgewiesen haben, folgen kann. Nach dem kleinen Stausee "Toschkov Tschark" bin ich jetzt am großen wunderschönen Stausee "Schiroka Poljana" gelandet. Hier gibt es endlich Angebote für ein Frühstück zur Mittagszeit.
Der Weg nach Toshkov chark (Тошков чарк)
Am Stausee Shiroka Poljana
Nachdem ich den "tschechischen" Radweg einige hundert Meter inspiziert habe, beschloss ich doch lieber auf die Straße #37 nach Dospat zu wechseln. 
Stausee Dospat
Dort bin ich in ein kleines Familien-Hotel eingecheckt. Deren Bett war genauso hart wie letzte Nacht meine Isomatte im Zelt.

Samstag, Juni 23, 2018

Vom Gewitter geblockt

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Vor dem Start mit dem Rad noch unbedingt notwendige Vorkehrungen für eine Tour getroffen: Lewa aus dem Automaten geleiert und Wasser gespeichert. Es wird bergauf gehen, anfangs moderat, aber heiß und trocken. Im Dorf Radilovo finde ich im Schatten des Dorfparks einen Kiosk für die erste große Pause. Gegenüber ist ein klitze kleiner Laden für 1000 kleine Dinge des täglichen Bedarfs. Man kommt keinen Meter in den Laden rein, dann tritt man in die Auslagen der Waren. Am Nachbartisch des Kiosks sitzen drei alte Weiber. Eine lässt sich vom Ladenbesitzer diverse Hygienepapiere zur Ansicht bringen. Ihre Freundinnen sind von den Servietten auch begeistert. Der Ladenbesitzer kann jeder was verkaufen. So muss das mal begonnen haben, die Erfindung der Tupperware-Parties.
Antike byzantinische Festung Peristera
In Peschtera lasse ich mich von einem Schild zur Festung Peristera leiten. Noch um 2000 war das ein Hügel verwachsen mit stacheligen Gebüschen. Dann kamen die Archäologen und fanden bei umfangreichen Ausgrabungen ganze Lager von Amphoren, die antiken Kühlschränke, und jede Menge Münzen aus römischer Zeit, auch Goldmünzen. Nach dem Abschluss der Grabungen hat man die Mauern der Festung nachgebaut, so dass eine beeindruckende Museumsanlage entstanden ist.
Nach einer kleinen Selektion bulgarischer panierter Käse zum Mittagsmahl wurde ich von der Kellnerin zum Besuch des nächsten Museums eingeladen. Schon auf der Festung hingen zwischen den Amphoren Werbebanner für eine Ausstellung sozialistischer Automobile. Garniert sind fast alle Autos des bulgarischen Sozialismus mit weiteren Waren aus der Zeit: Cognac "Slanchev Brjag", Zigaretten "STEWARDESS", die Marke meiner Jugendsünden und einigen Geräten aus Klingenthal, die Triola.
Kindheitserinnerungen oder Vergangenheitsbewältigung? Dinko Kuschews privates Museum in Peschtera
Am Nachmittag habe ich dann nur noch ca. 5 km in Richtung Batak geschafft, dann kam ein mächtiges Gewitter in den Rhodopentälern. Bin zurück hier nach Peschtera geflüchtet.
Peschtera: Die alte Moschee (17. Jhdt.) und der Stundturm

Freitag, Juni 22, 2018

Ein Busreise nach Pazardshik, Bulgarien

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Ich liebe es, wenn ein Plan aufgeht. Der Racic-Bus erreichte die internationale Haltestelle an der Bayrischen Starße hinter dem Dresdner Hauptbahnof mit einer reichlichen Stunde Verspätung. Der Abt (aka Gert, aka Alibotusch) und ein durch den "stärksten Magneten der Welt" nach Deutschland verschlagenen Bulgaren verkürzten mir die Zeit. Der stärkste Magnet der Welt ist die Liebe, ein Sprichwort aus Raslog am Pirin, dem Heimatort des Bulgaren. Das Rad konnte im Gepäckraum des MAN-Lions-Bus gut verpackt werden und los ging's…
In Pazardshik hatten die drei Fahrer die Verspätung wieder aufgeholt, trotz der zwei Übergänge an der EU-Außengrenze zu Serbien. Die Passagiere mussten persönlich am Grenzschalter sich vorstellen. Ich bin ja so dankbar, dass ich einen Ausweis habe, der was gilt.
Die Dulle, als höchster Trumpf des Kartenspiels Doppelkopf, auf dem Pflaster von Pazardshik nehme ich als gutes Zeichen für meine Tour in die Rhodopen.

Sonntag, Oktober 29, 2017

Herwart auf dem Jeschkenkamm

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28. - 30.10.2017; Teilnehmer: Der Abt, Ralf, Manne, Helmut, Jenser und EbsEls

Endlich war es soweit, es dämmerte, ich konnte aufstehen. Pinkeln war schon seit drei Stunden notwendig. Nun also endlich aufstehen.
Gestern Abend in der Kneipe der Chata Pláně pod Ještědem hat die Wirtin uns immer wieder vor dem herannahenden Sturm mit 130 km/h gewarnt, sie wies bei jedem Wetterbericht auf den Fernseher. Einen Platz in ihrer Herberge wollte sie uns aber nicht anbieten. Ralf fand auf der Leeseite des Jeschkenkamms einige moosige Plätzchen im Wald für unsere Zelte, dann gleich in der späten Dämmerung dort aufgebaut.
Der auch noch am Morgen mächtige Sturm riss mir den Apsidenvorhang des Hubba Hubba aus der Hand, die Böe blies zwei Liter Graupelregen in mein Zelt. Der Häring zum wieder Abspannen des Zeltes war nicht mehr im Laubblatthumusboden zu finden. In Unterhosen bei immer wiederkehrenden Böen mit Graupelschauer begann ich mit den Abriss des Zeltes. Plötzlich spreißelte 20 m hinter mir Holz, ein Baum knickte ab und krachte zu Boden. Dem einem Gott zum Dank, nicht auf die Zelte meiner Freunde, die noch in ihre mehr oder weniger trockenen Schlafsäcke gekuschelt, auf das Ende des Regens warteten. Ich fand einen halbwegs windschattigen Platz bei der anderen Herberge, um meine sieben Sachen mit klammen Fingern notdürftig zu ordnen. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Der windschattige Platz bot uns auch ein paar Bänke und Tische für das Frühstück. Wir setzen unsere Wanderung auf dem Kammweg zum Gipfel des Jeschken fort.
Das Heulen und Donnern des Sturms um den Turm auf dem Jeschken war überaus beeindruckend. Nach dem mehrbierigen Besuch des Turmrestaurants ebbte der Sturm etwas ab. Vom Zelten waren alle geheilt, die nächste Übernachtung sollte in einer festen Unterkunft sein. Als es langsam dämmerte, erreichten wir den Křižanské Sedlo zum Kryštofovo Údolí. Dort sollte es eine Pension Novina geben, schnell gefunden, aber alles dunkel. Ab 16 Uhr sollten Gäste laut eines Aushangs Eingang finden. Dieser Zeitpunkt war verstrichen, der Abt, Ralf und Manne hatten keine Geduld, sie suchten in Novina nach Alternativen. In der Tat gab es aber einen großflächigen Stromausfall, niemand wollte Gäste ohne Strom in eine der zahlreichen weiteren Pensionen aufnehmen. Wir entschlossen uns in der Hoffnung auf eine Zugverbindung zum nächstgelegenen Bahnhof in Křižan zu laufen. Dort stand sogar ein Triebwagen, der Bahnhofsvorsteher sagte jedoch: “Keine Strom, Autobus kommt erst morgen früh.” Nach einigem Hin&Her ließ er uns aber im Warteraum, dessen Nachtspeicherofen noch ein wenig Wärme und Trocknung spendete, bofen.
Kurz vor Sechs sprang das Licht an, wenig später offenbarte der Bahnhofsvorsteher den Bofern: “In 10 Minuten fährt der Bus nach Liberec.” Naja, so schnell sind wir nicht fertig. Wir verfrühstückten unsere flüssigen und festen Proviantreste. Ich hatte die Lust komplett verloren: “Ich will heim!” Die anderen Fünf sind noch einen halben Tag lang bis in die Gegend von Jítrava gewandert und mit dem Bus nach Hrádek nad Nisou. Auf der Heimfahrt erhielt der Sturm durch die Zugausfallanzeigen auf den sächsischen Bahnhöfen auch einen Namen: Herwart.

Mittwoch, Juni 28, 2017

Ein Drama bei der Taufe

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Das Wetter entwickelte sich nach zwei kräftigen Regenschauer am Morgen zum Positiven. Bei der zweiten Regenpause amüsierte ich den Kneiper in Günzach mit meinem Wunsch nach einem “Regenbier”. Es wurden zwei.
Gasthof "Zum Goldenen Kreuz" in Engetried
Um 1886 muss es ein kleines Drama in Engetried im Günztal gegeben haben. Es war zur Taufe eines Mädchens. Auf das Taufwasser reagierte die Kleine mit einem herzzerreißenden Geschrei. Es war ein wahres Crescendo, musikalische Vortragsbezeichnung für „lauter werdend“. Der Pfarrer, sichtlich genervt, konnte nicht anders und sprach: “Ich taufe Dich auf den Namen Kreszenzia”. Kreszenzia hatte ein erfülltes Leben, dies bezeugt das Schild anlässlich der Goldenen Hochzeit 1959 mit ihrem Blasius im Wirtshaus “Zum Goldenen Kreuz” in Engetried.
Auf Blasius & Kreszenzia: Gedenkscheibe im Wirtshaus
So habe ich mir die Entstehung dieses wunderbaren Taufnamens zusammengereimt. Mein Bruder meinte aber später: "Die haben hier solche Namen." Und in der Tat: Der Name Crescentia bedeutet auf Latein Wachstum. Es gab eine von Papst Johannes Paul II. am 25. November 2001 in Rom heiliggesprochene Maria Crescentia Höss aus Kaufbeuren.
Ich bin gut in Illertissen bei Andrea & Helmut angekommen.

Dienstag, Juni 27, 2017

Der Lechfall

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Ein Fehlstart in Boden: Mit dem den ersten Stramplern hinauf auf die Hahntennjochstraße aus Boden beginnt es zu regnen. Nach einer knappen halben Stunde ein Regenbier im Gasthaus “Zur Gemütlichkeit” in Bschlabs bestellt, der Kellner stellt mir das Bier hin und der Regen hört auf. Der Kellner meinte bei der Bestellung noch: “Dös muss aber a’ Großes sei.”
Lechtal bei Elmen
Der Lechradweg ist wunderschön, nicht nur weil er in meiner Richtung nur bergab geht. Er führt immer wieder auf den Lechbänken durch lichten Kiefernwald. Der Lech mäandriert über eine lange Strecke noch ganz eigenwillig als Naturfluss. Ich bin dann mal runter zu den Kiesbänken, um mal eine Kiesbankwolfsspinne zu finden, kein Glück. Sie erspürt herannahendes Hochwasser in den Kieseln und gräbt sich ein Loch, verspinnt es und kann mit dem Luftvorrat das Hochwasser überleben. Erst kurz vor Reutte gibt es eine Geschiebefalle. Wer wird dereinst das Geschiebe aus der Falle befreien?
Während der Lech in seinem Alpental bräsig vor sich hin mäandrieren kann, muss er sich dann durch die wohl nur ca. 500 m lange Lechschlucht vor Füssen zwängen. Die schlauen Schwaben habe gegen Ende des 18. Jhdt. aus einigen Fluten gelernt und oberhalb der Lechschlucht den Lechfall gebaut. Eine Aufstauung und einen Tunnel, der noch heute Energie liefert, schützte die Mühlen in Füssen und lieferte stetige Energie für ihr Werk. Meine Energie erhielt ich von einem Mariahilfer Bier vom Kössel Bräu in Eisenberg. Nun bin auch wieder in Deutschland.
Wiese im Königswinkel: Wer entdeckt das Schloss?
Ich konnte den “Dampflokrunde”-Radweg bei Roßhaupten finden, es war ein Lust am Pedalieren Richtung Marktoberdorf, was ich mir als Ziel gesetzt hatte. In Steinbach am alten Bahnhof war ich Teil einer Runde von freiwilligen Brandlöschern. Das Bier gab es für eine Spende von einem Euro. Die Schwaben ließen die Verschwendung nicht gelten, als ich für mein Bier 2 € spenden wollte. “Da hascht Du noch Eins gutt!” Vielleicht konnte ich Einen für einen Familienurlaub an der südlichen Schwarzmeerküste bei Sozopol in Bulgarien begeistern. Ich habe mich gerade bei meinem Bruder gemeldet, morgen sollte ich in Illertissen sein.

Montag, Juni 26, 2017

Genieß es!

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“Genieß es”, sagte der Wirt vom Hirschen in Imst zum Schluss, nachdem er mich als ersten Gast am Montag begrüßte und nach dem Woher&Wohin fragte. “Du bist noch ohne Elektro unterwegs?” Nach dieser Frage klang das “Genieß es” eher wie “Quäl Dich!” Ich starte in Imst zum Hahntennjoch.
Panorama am Linserhof
Der Linserhof ist die letzte Logistikstelle. Die muss genutzt werden, denn es kommen schon die ersten Zweifel. Der Linserhof liegt auf einer Alm auf knapp über 1000m vor dem Panorama der Pitztaler Alpen. Ich habe mich von diesem Panorama, von der Badestelle und all den anderen Versuchungen losgerissen und bin den Pass angegangen.
Aufwärts ...
Es gab noch einige retardierende Momente, ich habe es aber geschafft … geschoben, zu 95%. Kurz vor dem Pass gab es die Imster Melkalm Maldon, lauter Schirmchen davor. Also bin ich hin und konnte mir ein Weißbier zapfen lassen. Dann wurde die Alm zugemacht und die Senner, im Alter zwischen 70 und 17, holten die Kühe in den Stall. Die alten erfahrenen Rindviecher drängelten bereits am Tor mit lautem Blöcken, die Jungen mussten rangetrieben werden. Es war ein großes Theater bis jedes Rindvieh im richtigen Stallstandort war. Mir schien es, dass es Streit zwischen dem Vieh im Stall gab, wenn ein Rindvieh auf dem falschen Platz Stand. Es gab vier Eingänge in den Stall, es rumste drinnen und eine Kuh kam wieder raus. Die Senner trieben sie dann zum korrekten Eingang hin.
Geschafft!
Abfahrt nach Boden und Bschlabs
Nun bin ich im Berggasthof “Bergheimat” in Boden. Der Kellner ist ein Ungar und kennt Lauscha, wie klein die Welt ist. Es gewittert wieder.