Mittwoch, Juni 10, 2015

In den Sandžak

8.6.2015 Im Himbeerland
Der Serbe an sich ist in Teilen schon ein Frühaufsteher, aber kein großer Frühstücker. Als ich heut morgen gegen halb Acht mir einen Kaffee bestellte, muss den wohl ein Gast gezapft haben. Denn dann kam die Treppe runter der Chefkellner, knipste den Computer an und bongte erstmal die bisher vom Stammtischler ausgeschenkten Getränke.
Da kommt Freude auf: Eine Abfahrt ins Tometino Polje
Ersatz für das Frühstück war eine feine Abfahrt bis zu einem Banner über die Straße in Jeshevica, Reklame für ein Hotel. Es war halb Zwölf, Zeit für einen Brunch bestehend aus einem Vorsüppchen und in Schinken eingerollten cevapcici mit shopski Salat. Ich habe eine Tradition, nach dem Essen einen rakija. So auch jetzt in Guca, dem Dorf des berühmten Trompeterwettbewerbs. Die allgegenwärtigen Pommes mopst mir gerade ein kleines Mädchen vom Teller. Gott sei Dank, das gilt dann auch als aufgegessen und das gute Wetter bleibt mir hold.
Im Himbeerland
Hier werden überall in Weinbaumanier Himbeeren angebaut. Bei dem Wetter wird wohl in ein bis zwei Wochen eine gute Ernte eingefahren. Ich sah reichlich Daumennagel große Beeren an den Sträuchern, und zwar Daumen von Leuten, die wirklich Daumen drücken.
Krajputaši
Am Wegesrand fielen mir einige Steinstelen auf, offensichtlich Gedenksteine für Verstorbene. Es sind Krajputaši genannte Grabmäler, die sich durch einzigartige gemeißelte und gemalte Motive und Epitaphe auszeichnen.
Wenn ich die hiesigen serbischen Riesen sehe und die deftigen Fleischgerichte würdige, kann der derzeitige Weg zum Veganertum nur ein Irrweg sein und zur Degeneration führen. Gerade sind mir die riesigen gegrilltem Fleischberge für eine Gesellschaft hier im Motel ASS in Guca aufgefallen. Auch wenn ich heute schon ein Pfund vom rostilj verspachtelt habe, es sah lecker aus.

9.6.2015 Guca ohne Trompeten
Ich bin heute früh in Guca gestartet, der Stadt des berühmten Trompeterwettstreits, dieses Jahr vom 3.-9. August.
Der erste Sieger des berühmten Trompeterwettbewerbs: Desimir Perišić
Ich sitze in einem Gasthaus kurz unterhalb des 800 m Pass zwischen Guca und Ivanjica. Neben mir ein Bernhardiner, von dem man befürchten muss, dass er den Tisch umschmeißt, sollte er sich umbetten wollen. Er grunzt und japst aber friedlich weiter, mein dritter zwei Dezi spricer wird wohl stehen bleiben auf dem Tischchen. Gut dass ich die Einladung unten in Kotrasha nicht eingegangen bin. Den zweiten rakija des Op's habe ich bei der Passauffahrt wohl verspürt. Er wollte mir in seinem Haus ein gutes Mahl auftischen, er rieb sich viel versprechend den Bauch. Das wäre wohl aber das Ende der heutigen Etappe gewesen.
So aber erreichte ich nach einer großartigen Abfahrt Ivanjica. Hier gab es einen Hamburger, so wie er immer sein sollte: Ein pleskavica. Der breitgeklopfte Bratklops wiegt hier fast 300 gr, das Brot ist warm und frisch. Bei der Gourmet-Ausführung gurman pleskavica mit Schinken und Käse kann man dann wie beim Döner noch diverse Gemüse und Saucen hinzu wählen.
Perfektes Radlerwetter
Über allen ist das schöne Wetter, wer weiß schon wie das hier im Dauerregen abgehen würde. Aber wie entspannt die Leute hier sind, lest in dieser kleinen Beobachtung. Ich halte an einer schattigen einladenden Kneipe für einen spricer. Ein riesig langer 99'er FORD Mondeo Combi fährt fast mein Rad um beim schwungvollen Einparken. Zwei Serben beleiern beim Aussteigen gleich den jungen Kneiper, der lässt sich aber bei seiner englischen Konservation mit mir gar nicht beirren. Dann besteigt er den Mondeo, nicht abgeschlossen und der Schlüssel steckt, ist hier so üblich, und fährt ein paar pleskavica aus. Nach ein paar Minuten zurück holt er seine Angel und fährt mit Einem der Leute zum Forellen fischen: "My hobby!" Die Uhr zeigt 15 Uhr.
Ein amerikanisches Versprechen
Morgen wird es wohl ans Eingemachte gehen, ich fahre noch bis zum Ende der asphaltierte Straße nach Kumanica. Das amerikanische Versprechen durch den Mercy Corps einer Fortsetzung der Asphaltierung bis Montenegro scheint nur Makulatur zu sein. Dort erwartet mich morgen 30 km Gravelroad aufwaerts.

10.6.2015 Golijan
Es war ein schweres Stück über die Golijan Berge in das Sandžak nach Novi Pazar. Ich fand eine großartige Zeltstelle am Ende des Asphaltbelags einer Nebenstraße gleich nach Kumanica. Was ich nicht fand - ein Lädchen. Damit war das Wasser knapp, zu Essen gibt es überhaupt nix. Ich ließ mir die Möglichkeit der Umkehr.
Aufstieg Golija Planina
Doch welche Überraschung, nach wenigen hundert Metern gab es Asphalt und immer wenn es knapp wurde mit dem Wasser eine Quelle. So erreichte ich bei knapp 1500 Metern die Wälder des Golijan-Gebirges. Irgend einer hatte die Idee auf den höchsten Berg Jankov Kamen (1833 m) eine Seilbahn zu errichten. Am Forsthaus Golijanska Reka standen überall Gondeln und anderes Material für das Projekt rum.
Golija Planina
Hier war dann auch die Herrlichkeit des Asphaltbelags zu Ende. Noch mal hoch auf 1650 m, und die Gegend wendete sich schlagartig, weite Wiesen- und Weideberge und eine holprige Abfahrt.
Blick in das Sandžak, Duga Poljana
Ich erreiche das Bosniaken-Dorf Duga Poljana. Mir fällt sofort auf, dass in den Kühlschränken der Lädchen kein Bier mehr präsentiert wird. Um die Moschee ducken sich ein Dutzend Häuschen. An der kleinsten Hütte steht dran: Obucar, der Schuster. Daneben sehe ich wie ein Op' im Schaufenster gegrillte Hammelfleischstücke immer wieder mit Sauce übergießt. Das wird mein Happerchen zum Frühstück, würzig, heiß und gut. Es ist aber schon 16 Uhr.
Die große Moschee in Rajcinovice (Džamija u Rajčinoviću)
Zur Übernachtung suche ich mir ein Hotel in Novi Pazar Banja. Nachdem ich mich frisch gemacht habe, will ich noch auf ein Getränk eine Treppe tiefer. Da wird mein Flur zur Moschee, in der Tat, neben meinem Zimmer #102 liegt der Gebetsraum. Am Treppenaufgang haben alle bereits die Schuhe ausgezogen, bestimmt fuenzig Paar. Als ich erfolglos nach ein paar Minuten zurückkehrte, was ich für das Restaurant hielt, war jetzt der Gebetsraum der Frauen, knieten und beteten immer noch Einige vor meinem Zimmer. Das Ganze incl. Übernachtung in einem hoch feinen Dreibettzimmer kostete 20€. Ein Glück, dass ich ein paar Minuten vorher noch eine serbische Kneipe fand und ein Zajecarsko pivo kalt genießen konnte.

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