Montag, April 22, 2019

Wo Alexander zu Fuß hin ging ...

Der Ruhetag in Kardshali war nicht nur baklava kosten, ich habe viel mehr gekostet. Der kulinarische Höhepunkt am Abend war der Besuch des Restaurants “Vodenitsata”. Der Bulgare an sich besucht ein Restaurant mit großer Begleitung. Ein gutes Restaurant stellt große Tische zur Verfügung. Ich suche mir einen kleinen Tisch (für vier Personen) direkt unter dem Monitor. Dort läuft als Stummfilm “24kitchen” von FOX. Ich hasse Kochshows im Fernsehen, aber diesen Kanal würde ich in meiner Küche auch gerne laufen lassen. Soviel Anregungen auch von balkanischen Sterneköchen … lecker. Besonders bemerkenswert: Das Niedertemperaturgaren (er stellte 95° ein) von vakuumierten vorher kurz auf der eingeritzten Haut angebratener Entenbrust durch einen slowenischen Koch. Die Küche der “Vodenitsata” braucht sich aber nicht verstecken, es gab vier wunderbar gegarte Schweinefilets auf pikanten Kartoffeln.
Ringsum Kreuzritterburgen am Arda Stausee Studene Kladenets
Zum Ostersonntag, dem Tag der Wunder, bin ich dorthin gegangen, wo selbst Alexander der Große zu Fuß hin ging, zum Orakel des Dionysos auf dem Felsen Perperikon
Perperikon
Dieser Ort ist seit der Steinzeit besiedelt. Dank der reichen Erzvorkommen in den Rhodopen waren die thrakischen Stämme schon im 13. Jhdt. v.Chr. zur Verhüttung von Erzen in der Lage. Äxte, Blasebalg, die für die Verhüttung benutzt wurden, Pfeile, Schmelztiegel und Metallscharniere wurden in Perperikon gefunden. Diese Funde belegen, dass Perperikon ein Zentrum der Metallverarbeitung war.
Auf diesen Treppen stieg schon Alexander der Große zum Orakel
Vielleicht sind es diese Kenntnisse und Fertigkeiten für das Überleben der Thraker im “dunklen Zeitalter”, als zum Ende der Bronzezeit die östlichen Mittelmeerzivilisationen schlagartig untergingen. Eine solche Entwicklung der Produktionsmittel schafft Mehrwert, damit sich der Eine & die Andere diversen Kulten zu wenden konnten. Es entstand die thrakische Religion der Orphiker. Der Orphismus war ausgesprochen aristokratisch. Es war ein Kult um die Ahnen-Könige, um die Quelle der Fruchtbarkeit, um die Oberpriester und um Anthropodemonen (Tote, deren Körper nicht verfallen, eine Art „Untote“). Die Priester orakelten im Delirium des Weines, der Kult von Dionysos wird geboren.
Der Tempel des Lichts
Dem Orakel des Dionysos in Perperikon werden z.B. die folgenden Prophezeiungen nachgesagt: Alexander der Große wird die Welt erobern und Rom wird ihm in der Weltherrschaft folgen. Alexander ist während seiner Jugend- und Ausbildungszeit durch Aristoteles extra hin gepilgert, um sich zu versichern. Heute sind weite Flächen des Kultkomplexes ausgegraben und an einigen Stellen Mauern restauriert.
Kleines Wasserbecken
Bei meinem Aufstieg fallen mir immer wieder die “Bäder” auf, steinerne “Sitzbadewannen” für sehr kleine Menschen. Ganz oben ist eine große Zisterne freigelegt, zwischendurch gibt es immer mal etliche Wasserspeicher. Diese Anlagen zur Wasserverteilung zeigen mir den Ingenieursgeist der Thraker. Ich wandele immer wieder über offensichtlich sehr alte Stufen.
Mauer mit Tor
Zwischen großen Steinen (Toren) finde ich rechts vom Aufstiegsweg kleine ca. Handteller große Vertiefungen, manchmal mit einer kleinen Rinne. Sind das die Angeln der Tore? Faszinierend!
Felsen mit den typischen thrakischen Nischen
Heute zum Ostermontag mache ich mich weiter ostwärts auf dem Weg nach Adrianopel. Die Route führt durch Momtschilgrad und Krumovgrad, alles Städte, die nach bulgarischen Helden nach den Balkankriegen umbenannt wurden. Tatsächlich spricht hier jeder türkisch, meine bulgarischen Sprachbrocken werden hier nur mit Mühe verstanden. In Krumovgrad ist es ein Bisschen schwierig mit der Gastfreundschaft, die zwei in GoogleMaps gelisteten Hotels weisen mich ab. Am Hotel “Dvina” prangen jede Menge booking.com-Siegel mit guten Bewertungen. Die haben aber heute in der Tat keine freien Übernachtungsplätze eingestellt. Das Hotel liegt direkt im Basarbereich, aus einer Ecke erklingt Musik einer Roma-Kapelle, quietschende Oboe, Quetschkommode und Pauke. Da muss ich hin. Sie spielen an einer kleinen Tafel, einer der Gäste kann die Oboe auch blasen. Ich schaue, was meine Kasse bietet - einen Auftritt für mich ist mir 10 Leva wert. Einer filmt mit meinem Handy das kleine Privatkonzert
Im kleinen Flüsschen neben dem Basar stolziert ein Schwarzstorch. Das Hotel “Ahrida”, überkommen aus dem Sozialismus, zeigte sich gastfreundlich, die Rezeptionistin spricht deutsch. Ich drücke sie herzlich, als ich den Schlüssel erhalte.

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